Wenn Sie beim Lesen gerne betreut werden wollen, gehen Sie bitte weiter. Dann gibt es hier nichts zu sehen. Wenn Sie die “Wahrheit” suchen – die gibt es hier auch nicht. Allenfalls Hinweise zum Weitersuchen. Davon – immerhin und hoffentlich – reichlich. Entscheiden über “richtig” und “falsch” tun Sie am Ende sowieso selbst. Oder etwa nicht? Wie kommichdrauf? Durch Florian Rötzer.

Dessen publizistisches Lebenswerk, das noch in vollem Gange ist, schätze ich sehr, um nicht zu formulieren: es ist mir vorbildlich. 1996-2020 war er Chefredakteur von telepolis. Und scheint mit dem, was danach daraus wurde, nicht sehr einverstanden zu sein, was er gestern spektakulär deutlich bei overton zum Ausdruck bringt: Telepolis oder der Journalismus für das betreute Lesen – Vor kurzem führte das Online-Magazin einen Disclaimer ein, um sich pauschal und präventiv von allen älteren Texten und Autoren zu distanzieren. Damit liegt man ganz im Trend der Zeit. Abschied vom mündigen Leser.”

Von meiner Seite teile ich eher sein Grundverständnis als das seines Nachfolgers. Telepolis war zu Rötzers Zeit spannender, origineller, thematisch vielfältiger, neugieriger und streitbarer – ohne dass es heute bemerkenswert schlecht ist. Im Gegenteil: der Gesamtzustand der deutschsprachigen Medien verschlechtert sich mit weit höherer Geschwindigkeit als solcherart seltene Gewächse.

Allerdings dringt auch zu meinen Ohren, dass das redaktionelle “Bearbeiten” von Autor*inn*entexten unter Chefredakteur Neuber stark zugenommen haben soll, und die damit verbundenen Honorare in keiner Weise Schritt halten. Auch das kommt in den “besten” Häusern vor und nimmt zu. Insofern scheint Rötzers strenge Analyse mehr zu stimmen, als es für den öffentlichen Diskurs gut sein kann.

Ich selbst habe als nebenberuflicher “freier” Journalist solche Erfahrungen am intensivsten mit dem Medium gemacht, das gleichzeitig am schlechtesten zahlte. Das war damals die taz.

Es gab auch Redaktionen, die meine Texte besser machten, mit denen der Austausch bereichernd war, zum Vorteil beider Seiten. Das war beim Freitag vor der Ära Augstein. Dort erspähte ich vor kurzem durch Zufall, dass meine alten Texte in eine Paywall eingesperrt worden waren. Auf meine persönliche Beschwerde als “Urheber” sicherte mir der Verlag zu, das rückgängig zu machen. Weit gekommen ist er damit noch nicht.

Vieles war früher besser. Vor allem links.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net