Terroranschlag in Russland: Die Reaktionen zeigen, wer wir sind

Der UN-Sicherheitsrat hat den Terroranschlag auf die Besucher eines Konzerts in der Region Moskau umgehend scharf verurteilt und gleichzeitig tiefes Mitgefühl für die unschuldigen Opfer und deren Familien ausgedrückt. Ein solches Verbrechen ist durch nichts zu rechtfertigen. Der vollständige Text wurde vom stellvertretenden UN-Botschafter Russlands auf X verbreitet.

Noch sind die Hintergründe, die Täter und deren Motive unklar. Es ist noch nicht einmal klar, wie viele Menschen zu Opfern wurden oder ihren schweren Verletzungen noch erliegen werden. Der aktuelle Anschlag erinnert an die furchtbare Tragödie im Bataclan in Paris 2015. Das Bataclan war ein Ort der Freude, und das ist es auch wieder geworden, aber die Erinnerung an die vielen Opfer lebt auch dort fort.

In solchen Momenten zeigt sich, wer wir sind.

Denn diesmal hat der Terror nicht ein befreundetes Land getroffen. Diesmal wütete er im Reich eines politischen Gegners, mit dem wir uns im nicht erklärten Krieg befinden. Ist unsere Mitmenschlichkeit noch stark genug, das zu vergessen, um einen Moment stille zu halten, aus Respekt und Mitleid mit den Opfern? Wird das Brandenburger Tor in den russischen Farben erstrahlen, weil die Nationalität der Opfer keine Rolle spielen darf, wenn es um Terror geht?

Der französische Präsident hat sich erinnert und auf die Seite Russlands gestellt. Auf X trifft man auf die ganze Spannbreite der ersten Reaktionen: tiefes Entsetzen, großes Mitleid, aber auch hämische Freude, regelrechte Genugtuung darüber, dass „Moskau brennt“. Es findet sich auch der abenteuerliche Glauben, dieser Terrorakt sei ein Werk Putins, um vom Ukrainekrieg abzulenken oder ihn weiter zu eskalieren. „Anschlag auf eine Konzerthalle in Moskau. Terroranschlag gegen den Staat oder Terroranschlag des Staates?“ hob die Google Suchmaschine prominent hervor.

Wie kann man in einem solchen Moment einer Verschwörungserzählung anhängen oder gar Raum geben? Sie stammt aus Kiew, wie Sky mit viel Sympathie für das ukrainische Narrativ berichtete. Anders ausgedrückt: Offenbar hat die Saat des Russenhasses nicht jedes Herz erkalten lassen, aber bei viel zu vielen ist sie aufgegangen. Leider auch in unserem Land.

Kann man von der Ukraine wenigstens einen Moment des Mitgefühls mit den unschuldigen russischen Opfern erwarten? Offenbar nicht von denen, die aktuell das Sagen haben. Anton Geraschenko, heute Abgeordneter der Rada, schob sofort Putin die Tragödie in die Schuhe. Der hätte das inszeniert. Geraschenko war 2014, damals noch Mitarbeiter des Innenministers der Ukraine, der Erste, der über den Abschuss von MH 17 berichtete und sofort verkündete, wer dafür verantwortlich zeichnete: Putin. Er wusste damals angeblich sogar, was die Täter riefen, als sie das Flugzeug vom Himmel holten. Er war schon damals völlig mitleidslos mit den Opfern.

Der Berater des ukrainischen Präsidenten, Podolyak, wiederum erklärte, die Ukraine würde niemals zu terroristischen Methoden greifen und der ganze Anschlag würde von Putin nun genutzt werden, um den Krieg gegen die Ukraine zu intensivieren. Dass Kiew niemals zu terroristischen Methoden greift, ist aufgrund zweier Artikel (Washington Post, New York Times) über Aktivitäten und Einschätzungen der CIA in der Ukraine widerlegt. Aber Podolyak gibt einen guten Einblick in das Denken im Umkreis des ukrainischen Präsidenten. Dessen Denken kreist ausschließlich um die Ukraine, und es ist konspirativ.

Der ukrainische Geheimdienst wiederum erklärte, der russische Geheimdienst stecke hinter dem Anschlag. Es wäre eine Operation „unter falscher Flagge“, um den Krieg gegen die Ukraine weiter anzuheizen.

Ein Video, das in einem russischen Fernsehkanal und in sozialen Medien kursiert und das suggerierte, dass der Generalsekretär des ukrainischen Nationalen Sicherheits-und Verteidigungsrates der Ukraine, Danilow, praktisch eine Täterschaft der Ukraine zugegeben hätte, wurde durch einen ukrainischen Faktencheck als „Deep Fake“ eingestuft. Danilow sei am betreffenden Tag nicht Gast im Sender gewesen.

Das Weiße Haus (Admiral Kirby) ließ sehr schnell verlautbaren, dass die USA keine Hinweise auf eine ukrainische Täterschaft hätten. Zum Zeitpunkt dieser Ehrenerklärung für die Ukraine verfügte Russland noch nicht einmal über eine klare Übersicht über den Tatverlauf und die Opferzahl. Inzwischen ist sie weiter gestiegen. Mittlerweile haben 115 Menschen ihr Leben verloren. Über hundert sind verletzt.

Es gibt ein IS-Bekennerschreiben. Aber ob es echt ist, ist unklar.

Die Verdächtigten sollen inzwischen verhaftet worden sein. Ob es sich um Tadschiken handelt, wie inzwischen auch spekuliert wird, ist ebenfalls unklar. Der Anführer spricht kein Russisch, war zu lesen.

Laut Berichten in sozialen Medien wurden dem Fluchtauto, mit dem die mutmaßlichen Täter zu entkommen suchten, die Reifen zerschossen, um sie lebend zu stellen. Sie sollen unterwegs in Richtung Ukraine gewesen sein (Quelle: Moskau-Korrespondent der Welt). Der russische Geheimdienst sprach von „Kontakten in die Ukraine“.

Soziale Medien meldeten ebenfalls, dass viele Russen einem Aufruf nachkamen, Blut zu spenden, um die bestmögliche Versorgung der Opfer zu gewährleisten. Man sah auf X eine sehr hohe Zahl von Krankenwagen im Einsatz. Aber die rapide hochschnellende Zahl der Opfer zeigt auch, wie unerbittlich dieser Terrorangriff war, wie oft sich ärztliche Kunst geschlagen geben musste.

Nun muss man die russischen Untersuchungsergebnisse abwarten. Die mutmaßlichen Terroristen wird, das ist sicher, die ganze Härte des Gesetzes treffen. Der russische Präsident hat von Schuldzuweisungen zunächst abgesehen. So wie andere vor ihm, in vergleichbaren Augenblicken furchtbaren Terrors beschwor er die Einheit des Landes.

Der UN-Sicherheitsrat,

oft genug zerstritten hat sich die (nicht nur) in Kiew zirkulierende Sichtweise, einer Operation unter “falscher Flagge” nicht zu eigen gemacht. Er war sich bei der Verurteilung des Terrorschlags auf das Konzert in der Moskauer Region sofort einig. Das ist in der heutigen Weltlage durchaus bemerkenswert. Aber es war die einzig richtige Reaktion. Bei blindem Terror, egal wo er zuschlägt, darf es keine Toleranz geben.

Gleichzeitig war sich der Sicherheitsrat jedoch weiter völlig uneinig, wie im Israel-Gaza-Konflikt zu verfahren ist. Ein sofortiger unkonditionierter Waffenstillstand ist nach wie vor nicht einigungsfähig.

An der Sitzung des Sicherheitsrates nahm diesmal der US-Veteran Matthew Hoh teil. Er wurde in Afghanistan schwerst verwundet. Hoh hielt eine beeindruckende Rede vor diesem Gremium und sprach allen Staaten gleichermaßen ins Gewissen. Er plädierte für Verhandlungen zur Beendigung des Ukraine-Krieges, für einen sofortigen Waffenstillstand im Israel-Gaza-Krieg und für umfassende nukleare Abrüstungsschritte. Er trug eine weiße Mohnblüte am Revers, in Erinnerung an alle, die in Kriegen ihr Leben ließen und an jene, die an deren Folgen starben und noch sterben werden. Selbst mit dem Ende eines Krieges hört das sinnlose Sterben und Leiden nicht auf, weil die Erde durchtränkt ist von Giften, von Minen.

Es war eine mutige und kluge Rede.

Dieser Beutrag ist eine Übernahme aus dem Blog der Autorin, mit ihrer freundlichen Genehnmigung.

Über Petra Erler / Gastautorin:

Petra Erler: "Ostdeutsche, nationale, europäische und internationale Politikerfahrungen, publizistisch tätig, mehrsprachig, faktenorientiert, unvoreingenommen." Ihren Blog "Nachrichten einer Leuchtturmwärterin" finden sie bei Substack. Ihre Beiträge im Extradienst sind Übernahmen mit ihrer freundlichen Genehmigung.