Wie können wir uns wehren? Über Analysen hinaus müssen wir uns dieser strategisch entscheidenden Frage stärker zuwenden. Die Aufmerksamkeit muss hier gleichermassen dem ideologischen Überbau, wie den materiellen Grundlagen und dem praktischen Handeln gelten. Dazu hier keine Strategie, kein Konzept, aber erste Hinweise.

In Eilfertigkeit, die an selbstbezügliche Komik grenzt, will sich das Berliner Hauptstadtestablishment eine geopolitische Führungsrolle, wenn schon nicht weltweit, so doch mindestens in Europa schwätzend und schreibend anmassen. Das reicht, hört hört, bis zu offenem Antiamerikanismus und, mal wieder, Atomwaffenehrgeiz. (Achtung, der letzte Link verschwindet nach einigen Tagen in einem paywallbewehrten Archiv.) Tatsächlich wird es anders laufen: die deutsche Führungsrolle, vor allem in ökonomischer Hinsicht, hat die EU bereits so geschädigt, dass sie weltweit nicht mehr wirklich ernstgenommen wird. Typisch deutsch, dass versucht wird, das nun mit zunehmend militaristischen Tendenzen zu beantworten – das würde zu einer sicheren strategischen Niederlage führen. Man studiere die wirtschafts- und handelspolitischen Offensiven Chinas in allen Erdteilen; da wird selbst den USA eine Gegenstrategie schwerfallen, die EU und Deutschland kann man da mit ihrer gegenwärtigen Politik weitgehend vergessen. Wenn sie nun auch noch auf Trump hereinfällt, indem sie ihm die ökonomisch sinnlosen Rüstungslasten abnimmt, um hier dem Verlust geweihte Industrien und Arbeitsplätze zu retten, ein Reflex, auf den SPD und CDU immer anspringen, dann wären hier tatsächlich wesentliche Machtverhältnisse geklärt.

Für uns bleiben dann noch innenpolitische Fragestellungen übrig. Das Geschwätz vom “Postfaktischen” ist ein sicheres Indiz für selbsterfüllende Prophezeiung, aber auch für eine weitere sichere Niederlage in der gesellschaftlichen Auseinandersetzung. s. hierzu auch Küppi in der taz

Eine Widerstandsmöglichkeit bleibt jeder*m Einzelnen: die Nichtteilnahme an Selbstoptimierung/Selftracking. Klassisch deutsch, wie schon in der Energiewirtschaft und der Autoindustrie, wollen wir die gesellschaftlichen Megatrends, die die Digitalisierung hervorruft, nicht wahrnehmen und einen möglichst demokratischen Umgang damit entwickeln, sondern neigen wenn nicht zu Maschinenstürmerei, so doch zum Bremsen an allen möglichen Stellen. Bürokratie und Großparteien, in öffentlicher Verwaltung wie in privaten Konzernen, fühlen sich in erster Linie bedroht oder wenigstens gestört. Eine bewusste Strategie politischer und gesellschaftlicher Steuerung unterbleibt, wird geradezu sabotiert. Die Gesellschaft wird zwangsläufig von woanders entwickelten und konzipierten Technologien wehrlos überrollt. Es bleibt uns, wie so oft, nur massenhaftes individuelles Handeln. Essen Sie leckeres Fett, treiben sie weniger Sport, machen sie langsamer (außer beim Denken), geniessen sie mehr und denken Sie immer daran, dass die Zeit dafür immer knapper wird. Das größte Gesundheitsrisiko ist, statistisch nachgewiesen, Arbeit. Da die uns von der Digitalisierung sowieso immer mehr weggenommen wird, ist die ganz altbacken marxistische Frage, wer wieviel vom Mehrwert abbekommt. Dabei keine falsche Bescheidenheit!

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net