Gestern nachmittag kam es mir ein bisschen wie ein “Kreuzweg” vor, im Beueler Zentrum von wildfremden FC-Fans demonstrativ gegrüßt zu werden. Eine hämische Freude, die ihnen in diesem Leben selten genug vergönnt war. Nach gestern Abend geht es mir wieder etwas besser.

Dafür ist zuallererst den Gladbach-Ultras zu danken. Ich hatte eine Karte auf dem Oberrang über den richtigen Fans auf den Stehplätzen, die in der CL quasi “illegal” sind. Aber “Sitzen ist für’n Arsch!” und schlecht für die Stimmung. Während meine Sitznachbarn vorwiegend über Fabian Johnson und den Trainer quengelten, kämpften die Stehplatz-Fans um den Sieg. Und immerhin ist ein Punkt, der Sicherheit für die Europa-League-Qualifikation bedeutet, dabei herausgekommen.

Gegen einen Gegner, der über einige Fantastilliarden mehr Geldmittel und einen Wundertrainer verfügt, dessen Spieler aber glaubten, mit einer gelangweilten Attitüde ihr Pflichtprogramm absolvieren zu können. Womit sie ja leider auch recht hatten.

Nach dem Platzverweis gegen Stindl, den die seitenwahl-Kollegen als in der CL schon übliche xhaka-artige Gladbacher Disziplinlosigkeit bewerten, der im Stadion aber eher als paranoide Autoritätsstörung des türkischen Schiris Cakir wahrgenommen wurde, gab ich keinen Pfifferling mehr auf eine Erfolgschance. Eine Guardiola-Mannschaft würde eine 11:10-Überlegenheit souverän in einen überlegen herausgespielten Sieg verwandeln. Spieler wie Gündogan oder Silva, was sollten die wohl Anderes machen? Das kam dann erfreulich anders.

Was die Einstellung betrifft, hat sich die Mannschaft erfolgreich für die Blamage gegen einen unterlegenen Gegner am Samstag rehabilitiert. Gegen einen in der Finanzbuchhaltung überlegenen Gegner, der über die weit exzellenteren Katar-Beziehungen verfügt, was sicher auch den Einfluss auf den türkischen Schiri betrifft, hat man spielerisch und strategisch standgehalten. Vor der Saison hat niemand mehr erwartet.

Noch ein Schlusswort zum “disziplinlosen” Lars Stindl: über seinen Platzverweis hat sich gestern garantiert niemand mehr geärgert als er selbst. Er ist nämlich ein verantwortungsvoller und darum würdiger Manschaftskapitän. In diesem 11Freunde-Interview wird deutlich, was für ein fanatastisch feiner Kerl er ist, mit einem kritisch-realistischen Bild des “modernen” Fußballgeschäfts von heute.

Update: Seitenwahl hat heute mittag noch eine zutreffende Spielanalyse nachgeschoben. Hervorheben möchte ich dabei, dass der Trainer dort besser wegkommt, als in den letzten Beiträgen zuvor (und besser als bei meinen Sitzplatznachbarn), dass seine Spielstrategie und seine Auswechslungen, auch in Anbetracht der jeweils veränderten Bedingungen durch die zwei Platzverweise, absolut richtig waren.
Von Belang sind ausserdem heutige Berichte zur Neuverteilung der TV-Gelder in der Bundesliga, hier ein Vorbericht der FR und hier eine erste Ergebnismeldung von Sp-on.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net