An manchem sind wir geizigen Deutschen selber schuld. Beim Essen sind wir so geizig, dass Gastwirte nur bei Getränken eine Chance haben, ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Das führt z.B. zu den überteuerten Restaurantpreisen für Wein, vor allem für guten. In Frankreich und Italien sind die Essenspreise auf den Speisekarten angemessener, so dass auch die Getränkepreise zumutbarer gestaltet werden können. Unser Geiz richtet aber weit mehr Schaden an. Er erschwert einen Umbau der Landwirtschaft in Richtung Geschmack, artenvielfalt, Tierschutz und Ökologie, und er begünstigt Monopolisierung und Konzentration in Einzelhandel (die reichsten deutschen Männer waren die verstorbenen Aldi-Brüder) und Gastronomie (Franscheiss).
Zur Begehung eines runden Geburtstages entschloss ich mich zu erneutem aktivem Widerstand. Ich schenkte meine Gastgunst nicht einem einzelnen, sondern drei verdienten inhabergeführten Gastronomien. Die Dreiteilung führt zu einer Verkleinerung und besseren Übersichtlichkeit der Gästeschar; alles geht viel individueller zu.

Und die gastgebenden Kleingastronom*inn*en konnten zeigen, was bei Küchen- und Servicequalität in ihnen steckt. Zwei der drei Veranstaltungen sind absolviert, und mein Urteil ist klar: sie haben ihre Prüfung summa cum laude bestanden.

Bei Sarah Monteiro, assistiert von ihrer Mutter Birgit Alexander-Monteiro erhielten meine Gäste z.B. ein “Lila Möhrensüppchen”, das ich von dieser Möhrensorte und so aromatisch noch nicht kannte. Das Wildschweingulasch sah, in einer kleinen Suppenterrine serviert, zunächst optisch bescheiden aus, warf den kritischen Esser dann aber geschmacklich vor schöner Überraschung fast aus dem Stuhl. Zur “süssen Überraschung”, ein Ressort, das zu den langjährigen Spezialitäten Sarahs gehört, erübrigt sich jeder weitere Kommentar. Die sorgfältige Beschaffung hochwertiger Rohware bei persönlich gut bekannten Lieferanten (Wein von der Ahr und aus dem Elsaß) gehen mit liebevoller handwerklicher Zubereitung im “Bistro Mademoiselle” eine harmonische Vermählung ein. Die souveräne Versorgung durch nur 2 Personen ohne für die Gäste merkbare Hektik- und Nervositätsanfälle grenzte für mich an ein Wunder.

Thierry Fournier hat im Pastis ein dreimal so grosses Lokal (plus Weinhandel), aber einen gemütlich eingerichteten und für alle Gäste übersichtlichen Nebenraum, in dem er meine zweite Veranstaltung bewirtete. Das Lokal ist gewöhnlich nur tagsüber (bis 19 h Küche) geöffnet. Thierrys logistischer Trick ist, dass er nur eine klitzekleine Karte vorhält, aber ein wechselndes 2-Gänge-Menü+1Freigetränk zu einem konkurrenzlos günstigen Preis-Leistungs-Verhältnis anbietet: 15 Euro für 1a-Ware in Spitzenküchen-Qualität zubereitet. Wir hatten Salat mit gebackenem Ziegenkäse, Tafelspitz oder Doradenfilet, Creme Brulèe oder Käseauswahl und seine Spitzenweine aus Frankreich. Seine Tagesmenüs wechseln immer dann, wenn sie aufgegessen sind; auch das sorgt sowohl für Frische als auch für logistische Sparsamkeit. Und senkt den Stress für alle, Chef, Beschäftigte und Gäste, denen es sowieso immer schwerfällt sich zu entscheiden.

Im Ruhrgebiet rufen die Gäste gerne und oft und – in der rheinischen Interpretation – scheinbar selbstironisch: “Ich möchte ungern zahlen!” Bei den hier beschriebenen Gastgeber*inne*n wäre das entweder einen Rauswurf wert. Oder gelogen.

Meine dritte Veranstaltung im Bistro Odeon beim Bioladen Momo steht noch aus. Ich will aber verzichten, darüber werbend zu schreiben, dann würde es ja nur noch besser besucht, als es schon ist. Was dieses Lokal benötigt, ist eine Entfernung der Autostellsplätze vor dem Haus, damit die Fläche als Aussengastronomie in der warmen Jahreszeit eine bessere Versorgung der Gästeschar ermöglicht. 2, 3 Bäume dazwischen pflanzen für mehr Schatten, und alles wäre perfekt.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
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