Bei vielen politisch desinteressierten Bürger*inne*n gilt: Politik, Parteien, Medien – stecken doch alle unter einer Decke. Woher diese Unterkomplexität? Aus dem Fußball! In unserem Volk gibt es auf jeden Fall mehr Fußball- als Politikexpert*inn*en. Und da ist es wirklich so. In der Politik ist es zwar ähnlich, aber – zum Glück – sicher nicht genauso.
Gestern Abend ist mit einem 6:0 die ganze sportliche Langeweile des deutschen Profifussballs demonstriert worden. Die dabei aufeinandergetroffenen Vereine sind sportlich durch Klassen getrennt – in ihrem Innern jedoch in durchaus vergleichbaren Krisen. Es gibt keine Kritik und Erfolgskontrolle für ihre Nomenklatura.
Auch der Dümmste und Blindeste konnte sehen, wie sich im ZDF-Sportstudio-Interview die Herren Heynckes (der immerhin als 6:0-Sieger und kommender erneuter Meistertrainer) und Zorc (sogar als Manager des 0:6-Verlierers amüsiert in die Kamera grinsend) daran erfreuten, die Fußballmedien, die am Wochenende seit Bestehen der Republik vom Springer-Konzern beherrscht werden, seit einigen Jahren assistiert von den Nullen des Murdoch-Pay-TV-Senders Sky, diese Medien also mit personellen Kulissenschiebereien von kritischen Analysen der Kommandostrukturen abzulenken.
Diese Strukturen sind nämlich von Implosion bedroht; sowohl in München, wo Gerontokraten unfähig sind, ihre Nachfolge zu regeln und neue Talente zu gewinnen und in Verantwortung einzuarbeiten; und in Dortmund, wo mann sich der Börsennotierung ausgesetzt hat, und seit dem Attentat auf den Mannschaftsbus in der Vorsaison fortgesetzt Führungsschwäche und Ideenlosigkeit selbst für die ahnungslosesten Beobachter permanent demonstriert.
Nur Bundestrainer Löw ist noch stark genug, einen sportlich akzeptablen Auftritt bei der WM in Russland vorzubereiten. Spätestens sein Nachfolger wird den politisch überehrgeizigen DFB-Boss Grindel im Nacken sitzen haben, der vor allem darauf bedacht sein wird, nichts selbst schuld zu sein, wenn mal was schiefgeht. Grindel (CDU) steht auf seiner Nasenspitze geschrieben, dass er von ähnlichem Ehrgeit getrieben ist, wie der deutsche IOC-Boss Thomas Bach (FDP).
So ist der Fußball ein aktuelles Abbild unseres gesellschaftlichen Zustandes. Die Welt dreht sich, und der deutschen Führung wird schwindelig.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
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