Ich weiss auch nicht, wie mir in diesem Zusammenhang die EU-Agrarpolitik eingefallen ist. Wenn die EU Milliardeninvestitionen plant, dann werden ganze Branchen wuschig, und Märkte entstehen neu oder machen sich traumartige Profithoffnungen.
Mirco Keilberth/taz beschreibt diese Wirkung in der Region, die uns einst als Staat namens Libyen bekannt war. Heute ist es ein Zentrum von Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Auch die können ein Geschäftsmodell sein. Nun avisiert die EU das illegale Treiben durch milliardenschwere Investitionsprogramme gegen Flüchtlinge zu “legalisieren”. Die bisherigen Verbrecher sehen die realistische Chance von der EU angestellt und besoldet zu werden. Man fragt sich ein weiteres Mal, ob die in Brüssel überhaupt an irgendeinem Menschenschicksal interessiert sein können. Diese Frage ist jedoch falsch gestellt. Brüssel ist eine schöne, internationalisierte und liberale Stadt. Die perversen Strateg*inn*en sitzen in den diversen EU-Hauptstädten, und führend wie immer in Berlin, viel weniger mit der Welt da draussen verbunden als Brüssel.
Johannes Dieterich/FR, dessen Afrika-Berichterstattung ich bisweilen kritisch sehe, bietet den erforderlichen Perspektivenwechsel an: wie wird das aufgeblasene flüchtlingspolitische Gezerre in der EU von Afrika aus gesehen? Wer die bitteren moralischen Fragen politisch lösen will, muss die Interessen analysieren. Wer die afrikanischen ausblendet, wird davon eingeholt werden. Die EU verpennt auf diese Weise, was China schon längst begriffen hat – Afrika als Wachstumspotenzial und attraktiver Geschäftspartner für ökonomische Entwicklung, statt für Lager- und Gefängnisbau.
Gestern erklärte der ehemalige Bonner Studentenpoltiker Norbert Mappes-Niediek im DLF, warum die Nicht-EU-Länder auf dem Balkan, u.a. Albanien, dazu ebenfalls “Nein, danke” sagen.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
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