Planet Erde / Nato, EU, Deutschland / Alte Medien, ARD
Wenn ich in meiner politischen Jugend etwas gehasst habe, dann waren es rechtskatholische Fundamentalisten und sich besonders klassenkämpferisch dünkende missionarische Linksradikale, die inhaltlich und persönlich sehr verschieden waren, aber eins einte: die deutsche Liebe zur Apokalypse. Thilo Sarrazin hat damit sehr, sehr viel Umsatz gemacht. Und an seinem Geschäftsmodell orientiert sich derzeit auch der US-amerikanische Bestsellerautor Jonathan Franzen. Wir werden alle sterben. Wer wollte das bezweifeln. Die Erde wird untergehen. Auch das dürfte astronomisch – und nicht nur astrologisch – geklärt sein. Franzens Botschaft, es habe sowieso keinen Zweck dagegen was unternehmen zu wollen, verkleidet sich “realistisch”, ist aber im Rahmen aktueller öffentlicher globaler Diskurse: kackrechter Fatalismus. Wer Franzen folgen will, der kann auch Dieter Nuhr gucken. Allen, die noch darüber nachdenken, empfehle ich den Klimaforscher Stefan Rahmstorf/Sp-on, der Franzen ganz sachlich und faktenrorientiert wissenschaftlich und politisch auseinandernimmt. Falls Sie das für ihr Weiterleben brauchen, bitte schön, von Arzt und Apotheker empfohlen.

Nato, EU, Deutschland

Gebannt starrt die Öffentlichkeit der deutschen Republik auf die Selbstzerstörung der CDU. Was Rezo nicht geschafft hat, schafft der Zwergstaat in Ostdeutschland. Dennoch scheinen viele CDU-Mandatsträger*innen dieser Wirklichkeit nicht ins Antlitz schauen zu wollen. Sie wollen noch mehr kaputtmachen, als ein paar thüringische Bauklötzchen. Sie brauchen Grösseres. Wolfgang Schäuble, seinerzeit der populärste deutsche Politiker, hat in der Griechenlandkrise schon ganze Arbeit geleistet, um die Europäische Union zu entsolidarisieren, und damit auch zu destabilisieren. Auch die einstige Achse Paris-Moskau-Berlin, noch von Gerhard Schröder und Joseph Fischer mitgezimmert, wurde von den folgenden Merkel-Regierungen zielgerichtet demontiert. In Paris merkten sie schon vor Jahrzehnten, dass die Verabredungen zwischen Kohl und Mitterrand anlässlich der Auflösung der DDR 1990 im neuen Jahrtausend keinen Cent mehr wert sind.
Während sich die europäischen Mächte so verzetteln und zusätzlich durch den Brexit paralysieren liessen, gaben die USA mit Donald Trump jeden strategischen, bündnisorientierten Führungsanspruch auf, und führen jetzt Handelskrieg gegen die ganze Welt da draussen (aber einzeln: Bündnisse können da nur stören). Neben verarmten und ausgeplünderten Staaten im globalen Süden ist die EU mittlerweile das leichteste Opfer. Trump übersät sie mit Konfrontation und Zahlungsbefehlen, während in seinem Schatten China in aller Ruhe einkauft (s.o. Griechenland, z.B. den Hafen in Piräus oder moderne Eisenbahnen für den Balkan). Dem mit westlicher Aggression zugedeckten Russland wird die Hand zum Abkauf fossiler Rohstoffe gereicht.
Und was macht die CDU-Aussenpolitik (wo ist eigentlich Heiko Maas?)? Sie fängt mit dem hierzulande wegen seiner schröderartigen Reformen heissgeliebten Präsidenten Macron ein Scharmützel über die französischen Atomwaffen an. Wer so sorgenfrei ist, wie die CDU, macht sich halt selbst welche. Unübersehbare Demenz der deutschen Politelite. Sie meinen, mit Verfügungsgewalt über Atomwaffen – die sie nicht geschenkt bekommen werden – sähen sie weniger lächerlich aus.
Es gibt keine Mehrheiten in der deutschen Gesellschaft, die derartige perverse Wünsche haben. Im wahren Leben haben die Menschen andere Sorgen. Darum bleiben die klandestinen Atomwaffenmanöver so unbeachtet. Aber am kommenden Wochenende bei der Münchner Unsicherheitskonferenz wollen deutsche Rüstungslobby und Nato-Establishment eine verkaufsfähige PR-Version auftischen. Die Qualität der Medien können Sie daran studieren, ob sie es fressen und uns in verdauter Form ins Wohnzimmer werfen – oder ob sie darüber auf eigene Gedanken kommen.
Und vergessen Sie nicht, die Regierungspartei in spe, der auch ich angehöre, hierzu nach einer klaren Positionierung zu fragen, bevor Sie sie wählen.

Schmilzende Deutsche Medienmacht

Einen guten Überblick über die aktuellen Machtverhältnisse in den deutschen Alt- und Holzmedien gibt dieser Text vom Institut für sozialökologische Wirtschaftsforschung in München. Er zeigt, dass es noch Wirtschaftsbranchen gibt, in denen der Feudalismus weiterlebt. Es sind aber diese alten Mächte, die den von Kalifornien kommenden digitalen Datenkapitalismus bis heute nicht verstehen, und mit ihrem eingespielten Lobbyismus versuchen, den eigenen Untergang abzubremsen. Wenn in der deutschen Politik etwas gut funktioniert, dann dass sie sich von solchen Interessen einspannen lässt. Immer mehr Leute merken das allerdings.
Es sind die, die schon lange kein Fernsehen mehr nutzen. Gestern verzweifelte Claus von Wagner/Die Anstalt mit Recht an der Wirklichkeit. Er hätte auch die ARD-Intendantenkonferenz unverändert aufführen können. Weil die Regionalberichterstattung (“Lokalzeit”) in ihren Dritten Programmen der unangefochtene Quotenburner aller ihrer Produktionen ist (19.30 bis 20 h vor der Tagesschau), wollen sie diese Hochaltersgruppen spätabends in die schwächelnden Tagesthemen locken. Die tatsächlichen journalistischen Probleme dieses einstigen Flaggschiffs werden so souverän ignoriert – was ist schon ein Eisberg gegen ein “unsinkbares” Schiff? Auf solche Ideen kommt halt nur, wer Dieter Nuhr für einen kritischen Satiriker hält und mit langlaufenden Verträgen ausstattet.
Die Jungen sind zwar weniger als die Alten. Dafür leben sie aber länger. Das wiederum geht Jonathan Franzen, der CDU und den ARD-Intendanten anders. Darum interessiert es sie nicht; und darum wissen sie nichts darüber. Mein Vorschlag: zügig entmachten.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net