Fakten, blöde Fakten: B. Traven konnte auch anders

Von André Dahlmeyer

Einer der interessanteren Verlage der deutschen Bundesrepublik ist die Edition Tiamat aus Berlin. Dort erschien in der Reihe Critica Diabolis der Schinken „Das Phantom. Die fünf Leben des B. Traven“, der Versuch eines biographischen Romans, aufgeschrieben von Jan-Christoph Hauschild.

B. Traven? Richtig, der Aufschneider, der Mann mit der großen Klappe, mit den vollmundigen Tönen. Der Karl May des libertären Sozialismus, also nicht exakt dasselbe wie der Klaus Bedknarz der Öffentlich-Rechtlichen. Von „Indianern“ wimmelt es dennoch, zunächst auch im Sprachgebrauch von Hauschild. Später im Buch macht der Autor daraus politisch korrekt „Indígenas“, also Ureinwohner.

Hauschild beginnt das Leben unseres reißerischen Prahlhans mit dessen Tod. Am Ende wird die Herkunft „gelüftet“, B. Traven heißt dann eher uncool Otto Feige. Rasch wird deutlich, das Hauschild sich von Travens Leben gleichermaßen angezogen fühlt, wie es ihn auch abstößt. Es überwiegt deutlich die Anziehung. Man fragt sich warum. Zumindest die Romane und Erzählungen von Traven sind komplett wertlos. Über die Reiseberichte kann man reden.

In jungen Jahren hat Traven anarchistische Parolen wiedergekäut. Schuld daran war nichts als ein gehaßtes Elternhaus, sozialdemokratisch und kaisertreu. Er macht prekäres Tourneetheater. Mischt in der Münchener Räterepublik mit. Übernimmt diverse Posten. Immer als Kontrollfreak. Und macht irgendwann den Abgang. México!

Von dort aus startet er seine literarische Karriere, mit einer Gesamtauflage von zumindest 30 Millionen Exemplaren, übersetzt in 24 Sprachen. Der Meister der Unbescheidenheit benutzt dafür vor allem die Büchergilde Gutenberg der angeblich so gehaßten Sozis. Es ist ein Deal, der beiden das Gold aus dem Wasserhahn fließen läßt. Traven verkauft seine Stories als „Selbsterlebnisse eines Proletariers“. In Punkillustrierten hieß sowas früher „Erlebnisbericht“ und wurde von Wochenendpunks verfaßt, die sich auch nicht zu schade waren, auf den Chaos-Tagen schauzulaufen.

Traven klaut vor dem Herrn, redet von sich in der dritten Person und frönt dem literarischen Kolonialismus. Eine bipolare Störung ist unübersehbar, seine Eltern hatten keine Kohle für die Uni, das reichte wahrscheinlich schon für diesen kecken Minderwertigkeitskomplex.

In Mexiko machte sich der Ostbrandenburger rar, also interessant. In den Erstausgaben mutierte er zum literarischen Harlekin, aus dem ein Berufsstänkerer wurde. Alles kein abendfüllendes Programm. Angeblich war über Jahrzehnte nicht klar, wer sich hinter B. Traven verbarg. Völliger Unfug. Es war immer klar, und alle verdienten daran einen enormen Haufen Bakschisch. Traven war der erste Pop-Schriftsteller, der erste, der Hardcore vermarktet wurde, hauptsächlich weil er das wollte (und selbst organisierte). Ab 1924 war er ein Weltstar.

Immer, wenn der Erfinder „alternativer Fakten“ kurz davor stand, entlarvt zu werden, hielt er sich mit öffentlichen Dementis erst recht im Gespräch, besetzte einen Platz, so wie Straßenköter ihre Duftmarke hinterlassen. Selbstvermarktung at it’s best.

Travens Leben als Verwirrspiel wurde von ihm selbst als Pathos der Selbstbeweihräucherung inszeniert. Etwas von ihm preis gab er nur in dem Buch „Aslan Norval. Der Roman einer Millionärin“, erschienen im Bastei Verlag. Untertitel: „Gefangen von der Macht des Geldes blieb sie doch grenzenlos einsam“. Das war unterste Schublade, ein Konsalik für noch Ärmere, und doch schrieb Traven hier erstmals über sich, denn die Millionärin war er.

An der klausnerischen Abgeschiedenheit des notorischen Lügners änderte das freilich nichts. Die Journalisten in Ost und West kopierten ihn und seine Fehler im Stechschritttakt. Traven beschäftigte eine ganze Industrie von Traven-Spinnern. Das Leben war nichts als ein Rollentausch. Die Eigenwerbung Travens war schamlos und der Kontakt mit Rechten fließend. Sein Kumpel Ernst Niekisch, einer der führenden Nationalbolschewisten Deutschlands, geht bei Hauschild als „Sozialdemokrat“ durch. Das ist bedenklich. Erfreulich ist, das der Traven-Fan Hauschild klar beweist, das Traven ein Antisemit war, wie er im Buche steht. Davor ziehe ich dann doch meinen Hut.

Jan-Christoph Hauschild: „Das Phantom. Die fünf Leben des B. Traven“, Edition Tiamat, Berlin 2018, Critica Diabolis 256, 320 Seiten, ISBN 978-3-89320-233-1, Euro 24,-
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