Fussball war mal ein komplexer Mannschaftssport, über ein Jahr (Saison mit Sommerpause) ausgespielt, jeder gegen jeden in Hin- und Rückspiel + Pokalspiele im KO-System. Bei keinem dieser Spiele wusste mann (und in wachsender Zahl) frau, wie es ausgeht. Unberechenbare Ereignisse, Spielzüge und Aktionen (die KI hat mittlerweile die Kategorie “exppected goals”/”erwartete Tore” erfunden – die zählen aber bisher nicht, bätsch!) führen in der Summe einer Saison zu einer Tabelle, die nicht lügt: die Besten gewinnen den Meistertitel. Die Kapitalisierung der Fussballwirtschaft hat diese Regeln Stück für Stück demontiert.
Das wird nicht nur klar, wenn jemand die Erstliga-Tabellen europäischer Länder studiert. Die sehen nämlich oben immer gleich aus. Dass dabei der Erste auswärts bei Zweiten 5:1 gewinnt, ist der typische deutsche Sonderweg – der Deutsche mag keine Spannung. Er will Gewöhnung. Ausser die Fussballfans. In Deutschland gilt es schon als Überraschung, wenn gutgeführte aber kapitalarme Vereine wie der SC Freiburg oder Union Berlin sich ohne Abstiegsangst im Mittelfeld festsetzen können. Für den Anschluss an die Milliardenströme der Uefa und ihrer Langweiler-Wettbewerbe reicht es meistens nicht. Dort werden monatelang Gruppenspiele absolviert, in denen sich immer die Gleichen durchsetzen, nur um genug TV-Spiele fürs Pay-TV auszutragen. Die dann kaum jemand guckt. Aber irgendjemand bezahlt. In Deutschland die doofen Pay-TV-Abonnenten (Video 4 min) – aber die öffentlich-rechtlichen Sender, die von unserer Haushaltsabgabe bezahlt werden, bieten alle Jahre wieder fleissig mit, treiben also die Preise hoch, ohne uns zu fragen.
Es gibt einen Radiosender, der die traurige unsportliche Realität derzeit sachgemäss abbildet: die Sportredaktion des Deutschlandfunk. Dort finden Sie, und ich empfehle es Ihnen, wenn sie den Fussball noch lieben, oder schon um ihn trauern:
Kommerzialisierung des Profifußballs – „Der Fanprotest gegen den Kommerzfußball ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen“
Angriff auf die UEFA – Neuer Vorstoß zur Gründung der Super League
Neuer Vorstoß zur Super League – „Generalangriff auf das europäische Sportmodell“
Fußballzwerg Saudi-Arabien – Mit aller Macht an die Spitze. Eine hübsche Pointe wäre es, wenn Newcastle United, derzeit Vorletzter, genau in dieser Saison aus der Premier League absteigen müsste. Dafür sieht es momentan sehr gut aus, sie verloren gestern Abend mal wieder zuhause. Dann hätten die Sauds einen Zweitligisten in ihrem vollen Bauch. Guten Appetit!
Und zu schlechterletzt: Thomas Kistner über den DFB-Intrigantenstadl.
Wenn Sie das gelesen (oder per Podcast gehört) haben, verraten Sie mir bitte: was sind die “Werte” des Sports im real existierenden Kapitalismus? Dagegen gelingt es selbst den hyperkapitalistischen USA mit ihren Profiligen NFL, NBA, NHL usw. einen faireren Wettbewerb vorzuführen. Profis eben.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net