Die recht freihändige Vergabe von zwei Hangars des ehemaligen Flughafens Tempelhof an den Bonner Verein “Stiftung für Kunst und Kultur e.V. beschäftigt – nicht nur aber vor allem – die in Berlin lebenden KünstlerInnen und auch die Politik. So hat die Sprecherin für Kultur der Grünen Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, Daniela Billig angekündigt im Kulturauschuss und auch im Plenum Fragen zur vermeintlichen “Kunsthalle” zu stellen. Die Berliner Kulturszene stößt mehr noch, als die Vergabe der zwei Hallen durch den damaligen Regierenden Bürgermeister und inzwischen SPD-Bundestagsabgeordneten Michael Müller an Walter Smerling, die Nutzung des Namens “Kunsthalle Berlin”. Denn die immer noch nicht existente Berliner Kunsthalle hat eine lange und leidvolle Vorgeschichte. Sie wird von den Künstler-Organisationen seit Jahrzehnten gefordert und bisher von der Berliner Politik seit Jahrzehnten systematisch vergeigt.
Meine Fragen hat das Presse- und Informationsamt des Landes Berlin sehr schnell beantwortet: “Das Land Berlin hat keine bisherigen Kosten zu tragen, stellt die Flächen jedoch mietfrei zur Verfügung. Die anteiligen Betriebskosten und die Kosten der Veranstaltung selbst werden durch den Verein ‘Stiftung für Kunst und Kultur e.V.’ getragen.” Auf die Frage, wieso ein einzelner Mensch diese Liegenschaft auf Jahre hin bekommt, lautet die Antwort: “Die Vermietung erfolgte an den Verein ‘Stiftung für Kunst und Kultur e.V..” Ein Blick in die Satzung des Vereins, der sich “Stiftung” nennt, zeigt, dass “der Vorstandsvorsitzende berechtigt ist, den Verein alleine zu vertreten.” Dieser Passus gilt seit 2008 – seitdem ist Walter Smerling der Vorsitzende des Vereins. Weiter heißt es vom Berliner Senat, die “Vereinbarung mit dem Verein ‘Stiftung für Kunst und Kultur e.V.’ umfasst einen Zeitraum von 2 Jahren für temporäre Veranstaltungen. Für die aktuelle Veranstaltung wurde ein Vertrag mit einer Laufzeit bis Ende Mai 2022 abgeschlossen. Die Vereinbarung mit dem Verein erfolgte 2021 durch die Tempelhof Projekt GmbH in Abstimmung mit den zuständigen Senatsressorts für Kultur, Stadtentwicklung, Finanzen, der Senatskanzlei und dem Aufsichtsrat der Tempelhof Projekt GmbH über Ort, Zeit und Konditionen.”

Schwindeletikett “Berliner Kunsthalle”

Die Frage des BBK Berlin: “Wie sollen die Künstler*innen der Stadt und ihre Interessenverbände, die sich u.a. in der Tempelhof AG seit Jahren konzeptionell um eine gemeinsame Nutzung des historischen Geländers bemühen, damit umgehen, dass dieser Betreiber unter dem Schwindeletikett ‘Berliner Kunsthalle’ zukünftig den zentralen Hangar bespielt?” beantwortet die Senatspressestelle so: “Durch den Verein werden temporär zwei von sieben Hangaren bespielt, je nach Verfügbarkeit, da auch umfassende Sanierungsarbeiten am Flughafengebäude laufen, die eine entsprechende Flexibilität erfordern. Die Nutzung als Ausstellungsfläche für Kunst und Kulturveranstaltungen entspricht dem vom Senat im August 2020 beschlossenen Entwicklungskonzept als Ort für Kunst, Kultur, Medien und die öffentliche Verwaltung. Für Künstler*innen der Stadt und deren Interessenverbände werden in Kooperation mit der Senatsverwaltung für Kultur und Europa Flächen im Flughafengebäude mit erheblichen Investitionen aus dem Landeshaushalt entwickelt und hergerichtet.”
Die inhaltliche Frage bleibt unbeantwortet. Für viele KünstlerInnen, die sich seit Jahren für eine “Berliner Kunsthalle” engagieren, war Müllers Hallenvergabe nach Gutsherrenart ein Schlag in die Magengrube. So etwas schmerzt. Aber die Stadtregierung zeigt sich schmerzfrei, schließlich seien der Stadt Berlin bisher angeblich keine Kosten entstanden.

Pleiten und Peinlichkeiten

Da kann ich nur sagen – abwarten. Denn in Bonn hat Smerling bereits mehrere Pleiten hingelegt. Die größte mit der Ausstellung “Zeitenwenden” 1999/2000. In deren Folge mußte das Bonner Kunstmuseum über 1,2 Mio DM aufbringen und deshalb Kunstwerke verkaufen. Der Siegburger Maler und Aktionskünstler Hermann-Josef Hack reagierte mit einer Performance am Bonner Kunstmuseum. Mit vierzehn leeren Einkaufswagen und einem Transparent verwies Hack auf den damals anstehenden “Räumungsverkauf” im Bonner Kunstmuseum. Tatsächlich mußte das Museum einige Kunstwerke aus seinem Besitz verkaufen, um Smerlings Schulden zu decken. Hermann Josef Hack meinte, in der Bonner Kulturpolitik sei es “Zeit für Personal-Wenden”. Hack schlug der Stadt vor, man sollte eine Art Konklave mit internationalen Künstlern und Wissenschaftlern durchführen, die in einem Ausstellungsprojekt münde.
Das wurde abgelehnt. Stattdessen veranstaltete die damals von einem “Freiherrn von Uslar” geleitete Kulturbehörde wenig später im Rahmen der “Zeitenwenden” eine Konferenz von Kunstfunktionären und Kunstvermittlern. Weil die Runde schon recht groß war, wurde der einzige Afrikaner wieder ausgeladen. Die kulturellen Kleingeister rund um Jochem von Uslar kannten den von ihnen ausgeladenen Kurator Okwul Enwezor noch nicht. Das sollte sich bald ändern und zwar in einer für die Bonner recht peinlichen Weise: Der damals bereits weltweit tätige Okwul Enwezor wurde kurze Zeit nach seinem Bonner Rausschmiß zum Leiter der damals bevorstehenden documenta in Kassel berufen. Hack erklärte darauf hin: “Konsequent wäre: Zeit für Personal-Wenden. Aber auch die nächsten Projekte werden von den selben Personen mit der selben Selbstgefälligkeit aufgetischt, da wird die Zeit nichts wenden.” Er sollte leider Recht behalten. So verzichteten die SPD-Oberbürgermeister und vorherigen Oberlehrer) Bärbel Dieckmann und Jürgen Nimptsch auf den Rat der Kunstkommission und ließen sich stattdessen allein von Walter Smerling die Kunst für den öffentlichen Raum in Bonn “vorschlagen.”
Doch bereits Jahre zuvor hielt der Verein finanzielle Absprachen nicht ein. Für ein Projekt hatte ihm die NRW-Stiftung immerhin 190.000 DM bewilligt. Der Verein überzog diesen Etat und erwirtschaftete ein Defizit von 16.000 DM. Aber die wurden gerne von der NRW-Stiftung übernommen. Vielleicht hat Smerling daraus den Schluß gezogen, dass er es mit Steuergelder nicht so genau nehmen muß.