Macht über Menschen und nichts anderes war immer die Antriebskraft der Kirche. Nachdem die zunächst verfolgten Christen von Rom aus begannen, Europa zu kolonisieren und die Menschen und ihren Besitz zu unterwerfen, einen Papst als göttlichen Gesandten oder gar Stellvertreter des Übersinnlichen zu installieren, ging es immer und ausschließlich um Macht und Geld. Die klassischen Merkmale einer kriminellen Vereinigung oder Organisierter Kriminalität. Das ist natürlich nur ein Irrtum kleiner fehlgeleiteter Ketzer? -*innen?

Seit 20 Jahren das gleiche Schema

In den letzten Wochen sind immer neue Fakten über die Helfershelfer den Mißbrauchs an die Öffentlichkeit gekommen. Das Gutachten der Münchner Anwält*innen*kanzlei hat nicht nur Bischof Marx, sondern insbesondere Ex-Papst Benedikt in vier konkreten Fällen Fehlverhalten im Amt nachgewiesen. Er hat Menschen, die sexuelle Übergriffe und Mißbräuche begangen haben, nicht aus dem Verkehr gezogen, sondern an anderer Stelle im kirchlichen Dienst eingesetzt, wo sie weiter ihr Unwesen treiben konnten. Und wieder ist die Reaktion so gleich, wie typisch für Kriminelle: Allgemein bittet der ehemalige Oberpriester um Verzeihung, in den konkreten Fällen streitet er jede Mitschuld ab – nein – er ist armes Opfer der Umstände geworden – praktisch qua Amt reingerutscht. Erzbischof Marx genauso, Rainer Woelki, zwangsbeurlaubter Kölner Erzbischof und Vertuscher, sie verhalten sich dabei nach dem Muster ertappter Politiker oder bei Straftaten erwischter Manager: Im Großen und Ganzen für den Schaden wortreich entschuldigen, Bedauern gegenüber den Betroffenen ausdrücken, Mitgefühl heucheln, aber jeden kleinsten eigenen Tatbeitrag leugnen, sich nicht erinnern können und vor allem keinerlei Entschädigung zubilligen, denn dadurch würde Mitschuld – und Rechte auf Entschädigung – anerkannt.

Allgemeines Bedauern, individuelle Verantwortungsflucht

Diese Verhaltensmuster sind aus der Wirtschaft lange bekannt. Vom Chemieunfall bei Sandoz, AKW-Unfall in Fukushima, BP bei der Ölplattform Brent Spar, der Katastrophe der Exxon Valdez vor Alaska, beim Chemieunfall in der Giftmüllverbrennungsanlage der Currenta im Juli 2021 in Leverkusen – immer sind die Vorfälle bedauerlich, nie hat es konkrete Verantwortliche gegeben. Mit einem wesentlichen Unterschied: Ölunternehmen, AKW-Betreiber oder Sondermüllverbrenner sind Unternehmen, die nicht beanspruchen, für Seelenheil, Moral oder gar Glauben der Menschen zuständig zu sein, geschweige denn sich anmaßen hier Maßstäbe oder gar Normen zu setzen. Insofern ist das Verhaltensmuster, das in der katholischen Kirche zur Anwendung kommt, doppelt desaströs: Schon nach weltlich-gesetzlichen Maßstäben und obendrein noch nach den eigenen ideologischen Ansprüchen sind die Führungsgestalten der katholischen Kirche Totalversager.

Wer sich gottgleich wähnt, kann nicht anders

Das Problem der Opfer sexualisierter Gewalt durch die Kirche ist, dass sie an Gerechtigkeit und die Gleichheit der Menschen, auch von Priestern glauben. Aber die leben in einer Welt, in der sie sich auserwählt und unantastbar wähnen. Wie im Mittelalter. Die ersten Päpste waren Feldherren,  Strippenzieher der Macht. Sie zentralisierten Schrift und Wissenschaft, bunkerten Reichtum und verfolgten in den Religionskriegen alles, was ihrer Ideologie entgegenstand, die “Heiden”, die Juden und gerne die Moslems. Ein wichtiges Element ihrer Herrschaft neben abergläubischem Mummenschanz und Femizid, in Form von Hexendiskriminierung bis zum Mord, waren und sind rituelle Einschüchterungen, die Fiktion besonderer Auserwähltheit. Materielle Basis dieser eingebildeten Unantastbarkeit ist der – katholisch beherrschte – “Staat”  in Rom/Italien, der bis heute als exterritoriales Konstrukt “Vatikanstaat” existiert, obwohl seine Einnahmen nur von internationalen Firmenfilialen wie der weltweit reichsten Erzdiozöse Köln stammen. Marc Zuckerberg (Facebook) und Elon Musk (Amazon) spielen übrigens mit ähnlichen Gedanken, eigene Staaten auf künstlichen Inseln zu gründen, um keine Steuern bezahlen und alle Kohle behalten zu können. Aber sie fordern nicht, dass man an sie glaubt.

Außerhalb weltlicher Gesetze

Unter dessen Schutz sexuelle Exzentrik, Päderasten, systematische Vergewaltiger, multiple Perversitäten blühen und ein Hort der Geheimnistuerei, Rechtsfreiheit und Willkür gedeihen konnte. Homosexualität, öffentlich verurteilt und tabuisiert, konnte aber jahrhundertelang in allen Klöstern um so selbstverständlicher praktiziert und gleichzeitig verleugnet werden. All diese Strukturen gewährten und beruhten auf Macht. Macht der Täter gegenüber den Opfern. Macht der Wissenden über die Unwissenden. Macht und Wissen um die Verlogenheit dieser Ordnung gegenüber den Opfern. Macht der Herrschenden gegenüber den Gläubigen, die ihre Ideologie der Barmherzigkeit, der Freundlichkeit und der Geschwisterlichkeit glauben, hinter der sich Machtgier, sexuelle Ausbeutung und seelische Versklavung tarnen.

Die Schande Kölns

Schauen wir auf den Hirten von Köln, Rainer Woelki: Dessen Formulierungen – bezahlt für Hunderttausende an (wirklich schlechte) Kommunikationsagenturen – beinhalteten ins Krasse übersetzt: “Ach ihr armen dummen gläubigen Würstchen, was habt Ihr – weil Ihr ja gottseidank völlig hörig und verblödet seid – leiden müssen, dass ICH, Euer geliebter Oberhirte in den letzten Wochen öffentlich angegriffen wurde und wie traurig, dass IHR DAS ERTRAGEN musstet. Dafür bitte ich Euch um Entschuldigung. Und Ihr, die Ihr doch so verblödet seit und an mich und meine Auserwähltheit glaubt, werdet jetzt hoffentlich aufgrund meiner Entschuldigung nicht weiter zur Besinnung kommen.” Und dann ist er noch so dämlich, die Hunderttausende ohne Zustimmung der Gremien auszugeben, die ihm das bewilligen müssten.

Gegen diesen autoritären Ungeist helfen keine Auszeiten. Woelki wird wiederkommen und glauben, da weitermachen zu können, wo er sein unsägliches Wirken nur zeitweise unterbrochen hat. Denn er glaubt ja, auserwählt, etwas besseres zu sein. Da helfen nur Austritte.

Über Roland Appel:

Roland Appel ist Publizist und Unternehmensberater, Datenschutzbeauftragter für mittelständische Unternehmen und tätig in Forschungsprojekten. Er war stv. Bundesvorsitzender der Jungdemokraten und Bundesvorsitzender des Liberalen Hochschulverbandes, Mitglied des Bundesvorstandes der FDP bis 1982. Ab 1983 innen- und rechtspolitscher Mitarbeiter der Grünen im Bundestag. Von 1990-2000 Landtagsabgeordneter der Grünen NRW, ab 1995 deren Fraktionsvorsitzender. Seit 2019 ist er Vorsitzender der Radikaldemokratischen Stiftung, dem Netzwerk ehemaliger Jungdemokrat*innen/Junge Linke. Er arbeitet und lebt im Rheinland. Mehr über den Autor.... Sie können dem Autor auch im #Fediverse folgen unter: @rolandappel@extradienst.net