Reporter am Spielfeldrand: Friedrich Küppersbusch – After Show: Regine Sylvester

Als ich aufs Jungen-Gymnasium gewechselt war, wurden die Schüler im Sportunterricht in vier Leistungsniveaus aufgeteilt. Auf der einen Fussballfeldhälfte spielte A gegen B, Auf der anderen C gegen D. Ich war knapp in C gelandet. Und weil ich für nichts anderes zu gebrauchen war, wurde ich ins Tor gestellt. Vorteil: weil meine Mannschaft die Bessere war, hatte ich wenig zu tun, das Spielgeschehen spielte sich überwiegend in der gegenüberliegenden Hälfte ab. Ich hatte Zeit es lesen zu lernen. Wenn der Ball dann doch mal auf mich zu kam, war er meistens drin.

Frühkindlich lernte ich so die undankbare Torwartperspektive. Darum rege ich mich noch heute auf, wenn oberschlaue TV-Reporter scheinkritisch Torwartfehler diagnostizieren. Hätten sie den Ball etwa gehalten? Mann müsste sie zur Strafe aus ihrem Ü-Wagen holen und reinstellen.

Darum war ich heute sportjournalistisch betrachtet regelrecht beglückt, als ich diese Analyse von Alina Schwermer/taz las: Feste Festhalten – Von der Problem- zur Glanzposition: Das Torwartspiel wird besser, auch bei dieser Fußball-EM. Ein Beispiel: Daphne van Domselaar aus den Niederlanden.” Das ist fachlich erste Sahne. Und selten. Wenn Sie zu den Jungs gehören, die das nicht verstehen, wenden Sie sich an den Facharzt für Männerfussball Friedrich Küppersbusch: der erklärts noch mal für die Jungs mit Förderbedarf.

Und danach noch auf ein Bier?

Tja, so war das früher. Heute dagegen, will niemand mehr für wenig Geld viel arbeiten. Und also bewirbt sich (fast) niemand in der Armeleute-Gastronomie. Und noch weniger machen eine auf. Wie es früher einmal war, das beschreibt aus Berlin die unübertreffliche Regine Sylvester/Berliner Zeitung: Berlinerisch, familiär, günstig: Wie die Berliner Eckkneipe kämpfen muss – Bier, Bouletten und Stullen: Altberliner Kneipen wie das Anna Koschke in Mitte haben eine lange Geschichte. Sie müssen kämpfen – und haben doch treue Fans.”

Was Sylvester hier beispielhaft demonstriert, sollte sich jede Stadt, die was auf sich hält, zulegen: eine Geschichtsschreibung, wie es einstmals war, wenn ihre Bewohner*innen Freizeit hatten und zusammenkamen. Die beschleunigte Gegenwart neigt zum Vergessen. Das macht blind.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net