Als Kabarettpointe ist “Ich komm’ ja mehr vom Völkerrecht her” schon etwas ausgeleiert. Der folgende Text und seine Texthinweise ist entsprechend wenig lustig. Für fundamentale Verstimmung sorgt mal wieder der emsige Wolfgang Pomrehn/telepolis, trotz seiner wiederkehrenden “guten Nachricht der Woche”. Ich würde es positiv wenden: dass die Räumung von Lützerath im Kern völkerrechtswidrig wäre, ist politisch eine gute Nachricht. Schlecht daran ist, dass die schwarz-grüne Landesregierung sich daran so wenig halten will, wie der gaseinkaufende Robert Habeck. Wolfgang Pomrehn macht uns darüber hinaus Vorfreude auf neue Viren – es soll ja nicht langweilig werden. Ist das nicht Putins Problem? Einerseits: ja. Andererseits: den Viren sind Putins und Frontverläufe wurst.

Zurück zum Gaseinkauf. Nach dem gestrigen Erregungsnebel sind mir weitere Details klargeworden. Die Qataris verkaufen ihr Gas nicht an Habeck, sondern an den US-Konzern ConocoPhillips. Die beiden haben den Deal abgeschlossen, und Qatars Emir-Clan hat ihn bekanntgegeben. Das angebliche Volumen von 2 Mio. t jährlich ist für den aktuellen deutschen Bedarf quantitativ nachgerade lächerlich. Also: PR-strategisch und symbolisch aufgeblasen.

Es handelt sich um ein Revanchefoul des qatarischen Herrscherclans an der deutschen Bundesregierung und ihren unkontrolliert herumkritisierenden Medien. Das kennen sie, die Al-Thanis in Qatar, so nicht und würden es niemals zulassen (Video 94 min; Mediathek bis 27.1.23). Als Opfer haben sie sich die in diplomatischen Grundregeln wenig alphabetisierte Bundesinnenministerin ausgesucht. Zielsicher wurde der arabischkundige FAZ-Korrespondent Jan Ehrhardt ausgewählt, um ihn mit allen Faeser-Fehlern zu füttern, die er in einem Paywall-Text minutiös protokolliert. Die Qataris, well-informed, wissen, dass die FAZ nichts lieber tut, als Frau Faeser als zukünftige hessische Ministerpräsidentin zu verhindern. Das Fundament dafür scheint erfolgreich gegossen zu sein.

Und dem Herrn Habeck wurde nebenbei via Bild-TV – gehässiger geht es nicht – demonstriert, wer die Absicht hat, Regie zu führen. Er ist dafür nicht auserwählt. Egal in welchem Staatsamt.

China-Deutungen

Wer so mit der chinesischen Regierung umspringen würde, könnte weitere Bemühungen einstellen. Gesicht verlieren geht gar nicht. Das kann den Umgang komplizieren, wie der hierzulande allseits beliebte Kennedy-für-Arme Justin Trudeau geradezu faeserartig lernen musste. Es ist aber auch innenpolitisch kompliziert, wie das Regime in der Coronabekämpfung gezwungen ist zu lernen. Der verlinkte overton-Text von Guan Xin ist besonders deswegen informativ, weil er die aufgeladenen deutschen Diskursphrasen – wer ist Schwurbler, und wer nicht – gar nicht erst ignoriert, sondern den chinesischen Diskurs kritisch beschreibt.

Ebenfalls grundsätzlich aufschlussreich ist der in der Jungen Welt auszugsweise veröffentlichte Text des schweizerischen Emeritus Beat Schneider: Wohin steuert China? – Den Drachen reiten – Vom Kapitalismus gefürchtet, für die westliche Linke ein Problem: China auf dem Weg zum Sozialismus”. Die Frage, was sozialistisch ist und was nicht, ist durchaus relevant. Eine andere Frage wird von Schneider leider ausgespart: was daran ist demokratisch? Typisch bürgerlich diese Frage, ich weiss.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
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