Nun hat es schon wieder einen Jahreswechsel gegeben, und der vom Maya-Kalender an­geblich vorhergesagte Weltuntergang hat nicht stattgefunden. In der Tat verfügten die Maya, die von 300 bis 900 n. Chr. ein großes Gebiet im Süden Mexikos beherrschten, über einen präzisen astronomischen Kalender mit 365 Tagen. Interessant ist, dass sie für zivile und für rituelle Zwecke zwei verschiedene, einander ergänzende Kalender nutzten. Daneben gab es noch die „Lange Zählung“, mit der größere Zeiträume erfasst wurden, die für Himmelsbeobachtungen und historische Aufzeichnungen eine große Rolle spielten.

Die Zeitrechnung der Maya begann 3114 v. Chr. Ein wichtiger Langzeit-Zyklus dauerte 5128 Jahre lang, er endete folglich am 21. Dezember 2012. Vermeintliche Experten folger­ten daraus, dass an diesem Tage die Welt untergehen würde. Die Maya (und die Wirklich­keit) sahen das jedoch anders: für sie endete nur ein Zeitraum, nicht die Welt.

Das Thema Weltuntergang spielte in vielen antiken Kultur- und Naturvölkern eine große Rolle. Teils war dies durch Religionen und Mythen veranlasst, teils durch Erdbeben, Vul­kanausbrüche, Kometen und andere Naturkatastrophen. Schon bei den Schöpfungsge­schichten Assyriens und Babyloniens tauchen apokalyptische Vorstellungen auf. Im Zoroastrismus Persiens wird die Idee eines Endkampfes zwischen „Gut“ und „Böse“, „Licht“ und „Finsternis“ dargestellt.

Im alten Ägypten gab es keine konkrete Vorstellungen von einem Weltuntergang. Bei ih­nen bedeutete Weltuntergang die Rückkehr in den chaotischen Zustand der Schöpfung. Historisch reale gesellschaftliche Unruhen wurden häufig rückwirkend mit apokalyptischen Bildern beschrieben und als überwundene Erschütterungen des Schöpfungsgefüges ein­gestuft.

Von den Griechen wissen wir viel über die Entstehung der Welt und der Götter, aber we­nig über einen eventuellen Untergang. Nur in der Schilderung eines „Ehernen Zeitalters“ lässt sich etwas finden: Dessen Menschen widmen sich nur dem Krieg und der Gewalt. Letztlich versinken sie aufgrund einer riesigen Flut, die der Göttervater Zeus sendet, in der Unterwelt. Zwei Überlebende werden zu Stammmutter und -vater der nächsten Menschen­generation. Die Parallelen zur Sintflut im Alten Testament sind unübersehbar.

Bei den Römern finden wir umfassende Mythologien, aber keine konkreten Aussagen zu einem möglichen Weltuntergang. Nachdem das Christentum als Staatsreligion angenom­men wurde, verloren die Mythen ihre Bedeutung, und der religiöse Teil der Mythologie ver­schwand allmählich.

Von den Germanen kennen wir die Nordische Mythologie der „Götterdämmerung“, eine Sage vom Kampf der Götter und der Riesen. Am Ende stehen der Tod bzw. Untergang der Götter, in dessen Folge die ganze Welt untergeht. Ein wiedergeborener Gott wird jedoch eine neue Welt schaffen.

Im Christentum wird es beim Weltuntergang ziemlich schrecklich zugehen, wie in der Bi­bel zu lesen ist. Matthäus berichtet in seinem Evangelium vom Jüngsten Gericht, bei dem die Gerechten von den Ungerechten getrennt werden. Letztere werden verflucht und ins ewige Feuer geschickt, den Gerechten winkt das ewige Leben. Johannes beschreibt in seiner Offenbarung das Ende der Zeit wie folgt: Engel blasen Posaunen, und deren Klän­ge machen der Welt den Garaus. Hagel und Feuer regnen herab. Das Meer wird zu Blut und schließlich fällt ein Stern vom Himmel auf die Erde und Milliarden Menschen sterben. Dann, nach langem Kampf, bricht irgendwann das Reich Gottes an, und die Menschen leben glücklich und zufrieden bis in alle Ewigkeit.

Den Anhänger/innen des Islam droht der „Jüngste Tag“, an dem Gott als Richter alle Men­schen zur Rechenschaft ziehen wird. Das Nahen dieses Tags kann man an zehn Zeichen erkennen, u.a. großer weltweiter Rauch, ein falscher Gott, die Wiederkehr des islamischen Jesus, Eroberung durch fremde Völker, Erdbeben und Überflutungen. Zudem wird die Sonne im Westen aufgehen.

Das Judentum kennt kein Weltende im Sinne eines zerstörerischen Weltuntergangs. Viel­mehr endet die jetzige Welt mit dem Kommen des Messias. Dies sei jedoch nur zu erwar­ten, wenn sich die Menschheit in Richtung Frieden und Gerechtigkeit entwickelt. Im Alten Testament finden wir allerdings die Schilderung eines Weltuntergangs, nämlich der Sint­flut. Im orthodoxen Christentum gibt es bis heute einen Feiertag, der an die Sintflut erin­nert.

Im Hinduismus gilt die Vorstellung eines ewigen Kreislaufs, dem alle Lebewesen unter­worfen sind und der sich in Weltzeitaltern bis in die Unendlichkeit wiederholt. Einen Welt­untergang gibt es deshalb nicht. Möglich ist aber eine Neuanfang, der einem Weltunter­gang schon recht nahe kommt. Wenn die Lehren und Dogmen nicht mehr befolgt werden, wird es vom Himmel Asche regnen und die Erde wird überflutet (“Sintflut“). Danach be­ginnt eine neue Schöpfung.

Wikipedia unterscheidet drei arten von Weltuntergangsschilderungen: Erstens die religiös oder mytholo­gisch hergeleiteten Legenden, zweitens die Science-Fiction-Szenarien und drittens die (mehr oder weniger) wissenschaftlich fundierten Darlegungen. Zu den frühes­ten wissen­schaftlich erarbeiteten Prognosen über das drohende Ende der Welt gehört die des Club of Rome, einem Gremium hochqualifizierter Wissenschaftler/innen verschie­denster Diszi­plinen. Die 1972 (vor genau 50 Jahren!) veröffentlichte Studie „Die Grenzen des Wachs­tums“ bot im Rahmen verschiedener Szenarien eine Prognose für die künftige Entwicklung der Welt. Sie sorgte für weltweite Diskussionen.

Untersucht wurden fünf Trends, die sich gegenseitig beeinflussen: Industrialisierung, Be­völkerungswachstum, Unterernährung, nicht erneuerbare Ressourcen sowie Umweltschä­den. Technischer Fortschritt könnte zwar, so der Bericht, die Zeit bis zu einem Zusammen­bruch verlängern; er würde die Grenzen des Wachstums aber nur ein Stück verschieben und nicht aufhalten. Technische Innovation müsse zwingend mit sozialen und politischen Maßnahmen verbunden werden, um weltweit zu einem ökologischen wie sozialen Gleich­gewicht zu kommen. Würde die Menschheit so weiterleben wie bisher, würden Bevölke­rungswachstum, Erschöpfung der Rohstoffvorräte und Umweltverschmutzung bis spätes­tens 2100 eine Katastrophe für die Weltgesellschaft unvermeidbar machen.

Seitdem hat es eine Vielzahl von Studien und Publikationen zu diesem und vergleichbaren Themen gegeben. Vor allem die drohende Klimakatastrophe hat Berechnungen, Progno­sen, Warnungen und Programme erzeugt. Im Mai 2022 hat der Weltklimarat (IPPC) zum 6. Mai seinen jährlichen Sachstandsbericht vorgelegt, von einigen Medien auch Weltunter­gangsbericht genannt. Danach steigen die Treibhausgasemissionen auch in Zukunft welt­weit weiter an. Allerdings zeigt der Bericht auch, dass es technologisch und ökonomisch nach wie vor möglich wäre, die langfristige globale Erwärmung entsprechend des Pariser Klimaabkommens von 2019 auf 1,5°C bis 2100 zu begrenzen. Dafür wären allerdings eine sofortige globale Trendwende sowie tiefgreifende ⁠Treibhausgas⁠-Minderungen in allen Weltregionen und allen Sektoren nötig.

Erwähnung verdient auch der „Weltkatastrophenbericht“ genannte Report der Internatio­nalen Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmond-Gesellschaften von 2020. Demnach tra­ten im Vorjahr weltweit 308 Naturkatastrophen auf. 77 Prozent davon waren klimabedingt und betrafen fast 100 Mio. Menschen. Mehr als 24.000 starben. Die Zahl der wetterbe­dingten Naturkatastrophen sei in den vergangenen 30 Jahren um 35 Prozent ge­stiegen. „Aufgrund der globalen Erwärmung treten Wetterextreme wie Überschwemmun­gen, Stür­me und Hitzewellen immer häufiger auf, ihr Ausmaß wird immer fataler.”

Seit 1947 gibt es eine Weltuntergangsuhr. Sie soll der Öffentlichkeit verdeutlichen, wie groß das aktuelle Risiko eines globalen Infernos ist, insbesondere aufgrund ei­nes Atomkrieges oder der Klimakatastrophe. Die Entscheidungen über die Zeigerstellung trifft das ‘Bulletin of the Atomic Scientists’ gemeinsam mit einem Expertenrat, dem sieb­zehn Nobelpreisträger angehören. In Anlehnung an einen der beiden Hauptindikatoren wird auch von einer Atomuhr gesprochen. 3)

Die Uhr wurde mit „sieben Minuten vor zwölf“ gestartet und seither in Abhängigkeit von der Weltlage vor- oder zurückgestellt. Anfang 2018 stand sie auf zwei Minuten vor zwölf, An­fang 2020 wurde sie auf 100 Sekunden vor zwölf gestellt. Bei diesem Wert steht sie noch heute, wobei das verantwortliche Gremium betont, dass diese Entscheidung in keiner Wei­se bedeutet, dass die internationale Sicherheitslage sich stabilisiert habe. Im Gegenteil bleibe die Uhr so nahe wie nie zuvor an einer Apokalypse, die das Ende der Menschheit bedeuten würde.

Mit Spannung wird erwartet, welche Änderungen Ende Januar 2023 erfolgen. Einen gro­ßen Handlungsspielraum haben die Verantwortlichen nicht mehr, nur 100 Sekunden. Und das vergangene Jahr war gewiss nicht geeignet, eine positive Entwicklung der Weltla­ge zu sehen. Im Gegenteil: Der Ukrainekrieg, zunehmende Aufrüstung, internationale Energiekrise, weltweiter Hunger, Irans und Nordkoreas Atomprogramme, Cyberkriminali­tät, Hass und Hetze im Internet, verstärkter Nationalismus, Flucht und Vertreibung ließen neue Gefahrenherde entstehen. Putins Drohung mit dem Einsatz von Atomwaffen berührt konkret einen der bei­den Indikatoren der Uhr. Dagegen gibt es nur wenig, was Hoffnung geben könnte. Viel­leicht der beschleunigte Ausbau der erneuerbaren Energien, die engere Kooperation der westlichen Welt oder die Wahl in Brasilien. Ob das reicht? Oder muss die Uhr auf fünf nach 12 gestellt werden?

Über Heiner Jüttner:

Der Autor war von 1972 bis 1982 FDP-Mitglied, 1980 Bundestagskandidat, 1981-1982 Vorsitzender in Aachen, 1982-1983 Landesvorsitzender der Liberalen Demokraten NRW, 1984 bis 1991 Ratsmitglied der Grünen in Aachen, 1991-98 Beigeordneter der Stadt Aachen. 1999–2007 kaufmännischer Geschäftsführer der Wassergewinnungs- und -aufbereitungsgesellschaft Nordeifel, die die Stadt Aachen und den Kreis Aachen mit Trinkwasser beliefert.