Während die Panzerkreuzer-Presse der deutschen Hauptstadt um sich selbst und ihren Ministerin-Abschuss kreist, arbeitet die, die zuvor das klapprige Gerüst, das die Ministerin-Demontage erst möglich gemacht hat, hinterlassen hat, nun eifrig am Wachstum der Bedeutungslosigkeit der EU, was als Resultante bedeutet: Erniedrigung. Und einer aus Berlin hat die Zeit gefunden, ins schöne Davos zu den Reichen und Schönen zu reisen, und darüber zu berichten: Michael Maier, Herausgeber der Berliner Zeitung. Vor wenigen Tagen hatte er schon sachdienliche Hinweise gegeben, wie die SMS-Amokfahrt der ehemaligen Flinten-Uschi selbige im Intrigen-Brüssel bald einholen kann.

Die kundige DLF-Kollegin (“@mediasres”) Annika Schneider kommentiert völlig zutreffend den Berliner “Häme-Pegel” um den Ministerin-Rücktritt. Dass der was mit der Verteilung der Geschlechtermacht in den Medien zu tun hat – haben Sie dazu noch irgendein Gegenargument?

Interessanter als die “persönlichen Schicksale”, auf die sich die Berichterstattung konzentriert, sind die dahinterstehenden Strukturen. Es sind die, die die kontrollwütige Flinten-Uschi hinterlassen, und ihre damalige Dienstvorgesetzte mutmasslich zutreffend erkannt hat, um ihrer erledigten Rivalin zur Flucht nach Brüssel zu verhelfen. Auch diese vielgelobte Bundeskanzlerin hat dabei nicht den Politik-Prozess zuende gedacht – sondern nur sich selbst. Eine am Stuhl sägende Rivalin weniger. Die Suppe hat Frau Lambrecht jetzt ausgelöffelt – dafür, in diese Falle zu laufen, war sie eitel und dumm genug. Derweil tanzen in Berlin die Raubkatzen auf dem Tisch – sie kriegen den Hals nicht voll, wie im Fressrausch.

Als Wähler*in müssen wir den Tatsachen ins Auge sehen. Die von uns gewählten Politiker*innen sind so billig geworden, dass sie bei leisesten Lobbywinden umkippen – Mangel an ich- bzw. wirstarker eigener Orientierung, Verlust des Selbstwertes gruppen- und rudelweise. Das ist nun für die kaufkräftige Rüstungslobby zu einer Orgie geworden. Die kann ihr Glück kaum fassen, und greift und beisst zu, als könne es jeden Moment wieder in friedensorientierte Demokratie umkippen – mann weiss als Lobby ja nie, und muss schlingen, so lange noch serviert wird. Ich fürchte, vorläufig können die Vertreter für Mord und seine Werkzeuge unbesorgt sein.

Mein Freund Andreas Rossmann berichtet im FAZ-Feuilleton über die Verhaftung des sizilianischen Mafiabosses Matteo Messina Denaro. Wie es seine Art ist, lässt Rossmann dabei politische und strukturelle Aufklärung einfliessen. Zu den Mafia-Clans meint er: “Denn diese haben sich längst auf die Infiltration von Politik, Verwaltung und Wirtschaft verlegt und gehen leise und anonym vor. Das könnte bedeuten, dass das Gesicht von Messina Denaro, der so lange als ‘Fantasma’ (Gespenst) galt, das letzte bekannte Gesicht der Cosa nostra ist. Seine Festnahme markiert auch den Strukturwandel der Mafia, mit dem der Kampf gegen sie noch schwieriger wird.” Ich füge hinzu: moderne Mafia operiert nicht regional, sondern global. D.h. sie ist schon seit Jahrzehnten in den Zentren von “Politik, Verwaltung und Wirtschaft” präsent – also auch und insbesondere in Brüssel und Berlin.

Wenn Sie glauben, dass sei Verschwörungstheorie, beglückwünsche ich Sie. Gesünder ist das.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
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