Das war’s! — War’s das? (Eine Art Chronik) – Kleinkariertes Kabarett um ein ehemals großes Kabarett in München.

Kasse leer, Personal weg, Spielbetrieb eingestellt.
Das Ensemble um die Gage geprellt.

Anwälte sind „eingeschaltet“.

Medien wälzen Unwahrheiten durch die Stadt.

Überall die Fotos der Ensemblemitglieder von 1956 bis 1972, alle gestorben.

Die Lach-und Schießgesellschaft ist tot.

Wiederbelebungsmaßnahmen werden mit Getöse zelebriert.

Man kann sich nochmal über das Gebotene amüsieren:

Der Insolvenzantrag ist gestellt.

Nun ist eine Insolvenz ja nix Schlimmes. Unser philosophisch geschulter Wirtschaftshabeck hat vor einiger Zeit zu diesem Thema im Fernsehen Klartext geredet: „Das sehen wir ja jetzt überall, dass Läden, die darauf angewiesen sind, dass die Menschen Geld ausgeben, Blumenläden, Bioläden, Bäckereien gehören dazu, (Kabarett hat er vergessen, typisch) dass die wirkliche Probleme haben, weil es eine Kaufzurückhaltung gibt – dann sind die nicht insolvent, automatisch, die hören vielleicht auf zu verkaufen. Man würde dann insolvent werden, wenn man mit der Arbeit immer größeres Minus macht“.

Der eine „starke Mann“, Stefan Hanitzsch, wollte wirtschaftlich wie inhaltlich erfolgreich sein und die Lach- und Schieß-Ges. in die „digitale Ära“ führen, mit Stream und Hörbüchern, mit Tonstudio und Podcasts. Kann man machen, aber Böhmermann gibt’s schon, und Hanitzsch weiß vermutlich nicht, dass das politisch-literarische Kabarett als Basis den engen Raum, die Nähe des Publikums, eine politische Haltung und eine subversive Grundstimmung braucht. Ich denke, Hanitzsch sollte lieber einen Job bei Instagram anstreben und Influenzer werden.

Der andere „starke Mann“, Bruno Jonas, ließ verlauten, dass das literarische Kabarett wieder einen größeren Stellenwert bekommen und politisch relevant werden solle. Die Leitung wolle er dabei allerdings nicht übernehmen. Wer denn dann? Nun, man könnte Didi Hallervorden holen, der macht den Laden voll, wenn er selbst auftritt. Und wenn ein Kabarettist mit einer Reputation wie Bruno Jonas eine Kabarettbühne mit etwa 120 Sitzplätzen übernimmt und nicht persönlich auftritt, ist er ein lausiger Prinzipal. Doch in den vergangenen Jahren ist Bruno Jonas nie auf der Bühne der Lach- und Schieß aufgetreten, „der Laden“ war ihm zu klein und daher nicht einträglich genug. Sein Erwerbssinn ist in der Kabarett-Szene bekannt – Bruno macht alles zu Geld. Den Kapitalismus auf der Bühne zu geißeln, ihn aber nach Verlassen der Bühne zu praktizieren, ist eine Kunst, die er beherrscht. So soll er für seine Tätigkeit beim „Scheibenwischer“ ein höheres Honorar verlangt haben, weil durch Dieter Hildebrandts Alkoholerkrankung ja mehr Arbeit für ihn anfiele… Und nun diese Chance: Reizvoller, als in dem kleinen Haus selbst zu spielen, ist es gewiss, das Logo „Münchner Lach- und Schießgesellschaft“ als Einnahme zu verbuchen. Da muss man nur den Markennamen kreativ für Marketing-Zwecke nutzen…

Die Münchner Lach-&Schieß-Ges. ist heute eine GmbH. Ein Kabarett mit „beschränkter Haftung“ – das ist eine feinsinnige Pointe … In besseren Zeiten war sie eine Gesellschaft Bürgerlichen Rechts, und die Gesellschafter waren Sammy Drechsel, Dieter Hildebrandt, Klaus Peter Schreiner, die Geschäftsführerin Catherine Miville, die 4 Ensemblemitglieder und der musikalische Leiter. Alle anfallenden Entscheidungen wurden demokratisch getroffen. In dieser Form existierte die Gesellschaft 45 Jahre, von 1956 bis 2001. Aber nur vier Jahre davon, 1981-84, war Bruno Jonas Ensemblemitglied und Autor auf der Bühne. Allerdings hat er das Haus, als er kam, nicht „gerettet“, wie eine Münchner Zeitung schrieb – im Gegenteil: er verlangte, dass ab sofort keine Texte von Dieter Hildebrandt mehr gespielt werden. Das setzte er sogar durch. Als er aber forderte, das Ensemblemitglied Jochen Busse solle besser nicht mehr mitspielen, sagte Sammy Drechsel: Der letzte, der das von mir forderte, konnte sofort gehen. Tschüs, Bruno!

Es ist kein Geheimnis, dass Sammy Drechsel unter Bruno Jonas und Werner Schneyder, die ihm bei jeder Gelegenheit ihre intellektuelle Überlegenheit bescheinigten, sehr gelitten hat. Dass die drei Damen, die nacheinander im Jonas-Ensemble tätig waren, von allein das Weite suchten, spricht für den Selbstbehauptungswillen der Frau im deutschen Kabarett. Neben dem misogynen Ego von Bruno Jonas fanden sie einfach nicht ihren Platz. Ab 1984 setzte Bruno Jonas seine Karriere außerhalb der Lach- und Schieß-Ges. fort, blieb ihr aber durch seine Zusammenarbeit mit Dieter Hildebrandt beim „Scheibenwischer“ verbunden. Das Ensemble nach seinem Abgang und nach Sammy Drechsels Tod 1986 war 9 Jahre lang, bis Mitte der 90er Jahre, künstlerisch wie auch finanziell hoch erfolgreich, dann sorgten die Überflutung des Landes mit Comedy und das radikale Verknappen der Kulturetats in den Tournee-Orten für einen Niedergang des Ensemble-Kabaretts und einen Aufschwung der Alleinunterhalter*innen.

2000 wurde das feste Ensemble der Lach- und Schieß-Ges. aufgelöst. Im Laden traten fortan die unterschiedlichsten Gäste auf. Till Hofmann wurde Geschäftsführer. Er hat den Laden am Leben gehalten – seriös und zuverlässig. Er platzierte die Lach- und Schieß als mittlere Bühne zwischen Vereinsheim und Lustspielhaus, er nutzte die Synergieeffekte und löste so das Problem des „zu kleinen“ Hauses. Alle Künstler erhielten ihre vereinbARTE Gage. Und wenn mal wieder ein „Ausverkauft“ erforderlich war, ist Dieter Hildebrandt aufgetreten, doch nicht der Gesellschafter Bruno Jonas.

Vor eineinhalb Jahren, nach 20 erfolgreichen Jahren, gab Till Hofmann seine Geschäftsführung aus freien Stücken ab, weil es keine Übereinstimmung mehr mit den anderen Gesellschaftern gab. Bruno Jonas unterstellte ihm eine „kreative Buchführung“, hochdeutsch „Betrug“ oder „unlauteres Geschäftsgebaren“, ohne jeden Beweis anzutreten. Im Gegenteil: Zwei von Bruno Jonas selbst bestellte Wirtschaftsprüfer bescheinigten die Korrektheit der Buchführung, Till Hofmann wurde komplett von der Gesellschaft incl. Unterschrift von Bruno Jonas entlastet, und er übergab das Haus mit einem saftigen Plus in der Bilanz.

Nun wollen die verbliebenen Gesellschafter neue Geldgeber finden. Man sei mit der Stadt München im Gespräch, ist zu hören, und der Kulturreferent sagte, er sehe eine besondere Verpflichtung, das Haus zu unterstützen. Sammy Drechsel würde sich im Grab umdrehen – sein Kabarett von der Stadt subventioniert – so zerstört man das grundsätzlich oppositionelle Fundament des Kabaretts.

Noch schlimmer wäre allerdings, wenn die Münchner Lach- und Schieß-Ges. eine finanzielle Unterstützung des Medienunternehmers Helmut Markwort (86) annehmen würde. Dieser FDP-Landtags-Grande ist der Mann, der seinerzeit die Verstrickung Dieter Hildebrandts mit dem Nazi-Regime ausbuddelte und skandalisierte – so jemanden beschießt ein Kabarettist von der Bühne aus und geht ihm ansonsten aus dem Weg. Die finanzielle Kumpanei mit so einem neoliberalen Schwadroneur ist für’s politische Kabarett total kontraproduktiv und absolut unvorstellbar.

Ich möchte nochmal zurückkommen auf den grünen Robert, unseren Insolvenz-Fachmann Habeck. Der fasste das Geschehen mit dem Satz zusammen: „Das war Psycho­terror ohne Ende. Wir brauchen jetzt alle ’ne Therapie, glaube ich“.

Ja, und zwar schnell, wenn wir uns den peinlichsten Kommentar zur Schlammschlacht der letzten Monate näher betrachten. Er stammt von dem Kleinkünstler A.R., der seine Geistesschwäche mit enormer Formulierungsstärke zu übertünchen weiß: „Bruno Jonas ist nicht das Problem, sondern die Gesamtlage. Auch sind viele namhafte Künstler abgesprungen, diejenigen, die sich noch auf Dieter Hildebrandt berufen und sich hinter Pseudo-Aktivismus verstecken, spielen da gar nicht mehr.“
Genau – die sollten gefälligst mit dem Abspringen aufhören statt sich auf Hildebrandt zu berufen, und sie sollten sich hinter was Vernünftigem verstecken, wenn sie weiterhin mitspielen wollen.

Fazit von mir: Man sollte die Institution Lach- und Schieß-Ges. nachsichtig lächelnd beerdigen und die Erbschleicher*innen entmündigen. Basta la Musica.

Dieser Beitrag ist eine Übernahme aus dem Blog des Autors, mit seiner freundlichen Genehmigung. Er gehörte dem Ensemble 1985-93 an.

Über Henning Venske / Gastautor:

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