Zum Spannungsfeld zwischen Politikredaktionen und “Freien”
Ich selbst habe immer nur nebenberuflich journalistisch gearbeitet, in der weisen Voraussicht, mich von solcher Arbeit nicht ausreichend ernähren zu können. Mit einem festen Job unterm Hintern hat es mir immer Spass gemacht, allerdings sehr unterschiedlich viel. Die taz war in meiner imaginären Tabelle der zahlenden Auftraggeber*innen immer auf einem Abstiegsplatz: viel Arbeit, noch mehr Nerverei, wenig Honorar. Das war dort immer System und strategische Absicht. Darum fangen viele Journalist*inn*en dort ihre Karriere an, aber nur sehr wenige beenden sie dort. Und nicht immer die Besten – mann*frau muss sich das auch leisten können, wie z.B. die selige Bettina Gaus..
Das muss wissen, wer diese – in meinen Augen kaum skandalöse, sondern eher alltägliche – Geschichte liest: Carmela Negrete, David Goeßmann/telepolis: “Wie die Taz einen Artikel eines Ukraine-Kriegsreporters manipulierte – Unai Aranzadi berichtete für die Taz aus der Kampfzone in der Ukraine. Doch den Artikel habe man verfälscht, sagt der Reporter, und vielleicht auf Nato-Linie ausgerichtet. Genießen westliche Journalisten in der Ukraine Meinungsfreiheit?”
In meiner persönlichen Journalismus-Geschichte hatte ich mit vielen Redakteur*inn*en zu tun. Die Besten haben nicht genervt, sondern geholfen. Sie nahmen nicht nur Themenvorschläge entgegen, sondern hatten auch selbst welche. Sie verfälschten Texte nicht, sondern machten sie besser. Aber die waren selten. Ich kann sie aufzählen: Rudolf Schwinn und Albert Statz bei der Tageszeitung “Die Neue” (eine kurzlebige Konkurrenz der taz, Ende 70er/Anfang 80er), Barbara Schweizerhof (heute epd-Film), Ingo Arend (von Augstein gefeuert, Abfindung vor dem Arbeitsgericht erstritten) und Tom Strohschneider beim Freitag, Stefan Kuzmany bei der taz (er ist heute beim Spiegel) und der verstorbene Peter Hanemann bei Comcologne. Zahllos dagegen die, die Texte und inhaltliche Zusammenhänge nicht verstanden, mangels persönlichem Standing ein Formatierungsraster ihres Mediums im Kopf hatten – und darum sehr oft gute Texte verschlimmbesserten und verkorksten.
Die soziale Blase einer Redaktion ist für die prekär Beschäftigten und unsozial Entlohnten eine pandemische Quälerei – in der die Betroffenen ausserdem hierarchisch ganz unten stehen. Das macht den ganzen Prozess dauerhaft anfällig für Machtmissbrauch. Nur die besten Redakteur*inn*en sind dagegen resistent. Es gibt sie, aber sie werden immer weniger.
Bei öffentlichen Medien gibt es zwar mittlerweile einige tarifvertraglich erkämpfte Zahlungs- und Spielregeln, was die aber durch Vernichtung ihrer Fachredaktionen längst “kompensiert” haben. Die “Freien”, die heute 80-90% der Programminhalte realisieren, haben also im Sender niemand mehr, mit der*dem sie noch inhaltlich qualifiziert diskutieren können.
Zu glauben, dass das ausgerechnet in Fragen von Militär und Krieg anders und besser sein könnte – vergessen Sies. Das Premium-Medium Tagesschau eröffnete seine 20-Uhr-Ausgabe gestern ganz schmerzfrei mit 3 Minuten (von insgesamt 15 inkl. Sport und Wetter) Nato-Manöver-PR-Beitrag. Fachjournalisten beklagen sich, dass realer Journalismus zu diesem Thema von der Nato unmöglich gemacht wird (Audio 7 min). Überraschung?
Demokratisches Militär, menschenrechtlichen Krieg (mit kritischen Medien!???) – wo und wann soll es das gegeben haben?
Ich habe das jetzt mal auf die Tagesordnung der nächsten Schulkonferenz unter “Verschiedenes” gestellt………, irgerndwie muß man die Schülerzeitungsredakteure doch mal an “anständiges” journalistisches Handwerk ranführen 🙂