Eine Genehmigung für die Kommunen, nach eigener Wahl ein Tempolimit von 30 km/h einzuführen, ist nach Ansicht von Verkehrsminister Wissing ein Eingriff in bürgerliche Freiheiten. Kurz entschlossen hat Wissing damit ein neues Freiheitsrecht geschaffen. Eigentlich stehen unsere Freiheitsrechte im Grundgesetz. Nur ab und zu wird vom Parlament durch Grundgesetzänderung ein neues Freiheits- oder Grundrecht geschaffen (oder auch eingeschränkt).

Das scheint Wissing und die FDP nicht zu stören. Die Parole „Freie Fahrt für Freie Bürger“, mit der die FDP seit Jahrzehnten gegen Tempobegrenzungen auf Autobahnen kämpft, wird jetzt auf die kommunale Ebene übertragen. Erst kürzlich hat ein FDP-Bundesparteitag ein weiteres Freiheitsrecht gefordert, nämlich die gesetzliche Verankerung eines „Technologiefreiheitsprinzips“. Das lässt auf neue Freiheitsanliegen hoffen. Zum Beispiel das Recht, bis in alle Ewigkeit Verbrennungsmotoren zu fahren.

Wenn es nach der FDP ginge, würden gewiss weitere Freiheitsrechte ins Grundgesetz aufgenommen. Zum Beispiel das Recht, Steuern zu zahlen. Die FDP leitet aus dieser Selbstverständlichkeit dann jedoch das Recht ab, auch mal keine Steuern zu zahlen. Zum Beispiel keine Vermögenssteuer und keine Erbschaftssteuer.

Oftmals sind es nur kleine Modifikationen, die ein Freiheitsrecht in eine für die FDP genehme Form bringen. Das in Art. 12 des Grundgesetzes garantierte Recht auf freie Berufsausübung wird dahingehend interpretiert, dass Nebentätigkeiten und -einkünfte von Bundestagsabgeordneten grundgesetzlich geschützt sind. Und die in Art. 11 garantierte Freiheit der Wohnungswahl gilt selbstverständlich auch für den Umzug in Steueroasen.

Mit ein bisschen Kreativität wird es der FDP gewiss gelingen, weitere Freiheitsrechte zu kreieren. Bekanntlich hat jeder gemäß Art. 14 des Grundgesetzes das Recht auf Achtung seines Eigentums. Für die FDP ist klar, dass dies die Freiheit der Wohnungseigentümer einschließt, die Miethöhe nach eigenen Vorstellungen festzulegen. Oder Artikel 23 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Dieser garantiert das Recht auf gerechte und befriedigende Entlohnung, nach Ansicht der FDP aber nicht auf Mindestlöhne und Lohnsteigerungen.

Manche Freiheitsrechte bestehen übrigens unabhängig davon, ob die FDP sie erfindet oder einfordert. Zum Beispiel erlaubt es die Meinungsfreiheit jedem Politiker, unsinnige Vorschläge zu machen.

Über Heiner Jüttner:

Der Autor war von 1972 bis 1982 FDP-Mitglied, 1980 Bundestagskandidat, 1981-1982 Vorsitzender in Aachen, 1982-1983 Landesvorsitzender der Liberalen Demokraten NRW, 1984 bis 1991 Ratsmitglied der Grünen in Aachen, 1991-98 Beigeordneter der Stadt Aachen. 1999–2007 kaufmännischer Geschäftsführer der Wassergewinnungs- und -aufbereitungsgesellschaft Nordeifel, die die Stadt Aachen und den Kreis Aachen mit Trinkwasser beliefert.