.. der sino-amerikanischen Rivalität und die Suche nach einer gemeinsamen Basis sind daher für die globale Stabilität und die Zukunft der Menschheit von entscheidender Bedeutung.”

Das schreibt der SPD-Bundestagsfraktionschef Rolf Mützenich gestern in einem Beitrag im ipg-journal: Kampf der Giganten China und die USA ringen um die globale Vorherrschaft. Europa kann nur bestehen, wenn es mit einer Stimme spricht und sich nicht vereinnahmen lässt.” Ein Beitrag, wie ich ihn mir auch mal wieder von einer*m deutschen Aussenminister*in wünschen würde.

Dennoch fallen mir auch bei Mützneich begriffliche Unschärfen auf, die das von ihm beschriebene schon “gigantische” Problem der Aussenpolitik noch vergrössern. Die Unschärfen betreffen die Begriffe “Europa” und “Amerika”. Mützenich meint, theoretisch nachvollziehbar und richtig: “Europa kann im Spannungsfeld der strategischen Rivalität zwischen China und den USA nur bestehen, wenn es mit einer Stimme spricht und sich weder von China, aber auch nicht von den USA auseinanderdividieren lässt.” Daraus spricht deutsches Dominanzbedürfnis – so unrealistisch, wie das weltumspannende Pendant der USA.

Die europäischen Tatsachen sind weit davon entfernt und entfernen sich weiter. Es sind nicht nur die Rechsstaatsabweichler Ungarn und Polen. Immer mehr europäische Regierungen werden von Rechtsreaktionären und Menschenfeinden infiltriert: in Skandinavien und Italien, in Grossbritannien (den Brexit unterschlägt Mützenich komplett), Niederlanden, Österreich, demnächst potenziell Frankreich und Spanien, sowie ab nächstem Jahr inklusive dem EU-Parlament. Letztgenannte drohende Entwicklungen wurden durch den von der Bundesregierung unterstützten angeblichen “Asyl-Kompromiss” schon widerwärtig vorweggenommen. Die noch gar nicht eingetretene Rechtsentwicklung wird also nicht bekämpft, sondern vollzogen, bevor sie durch Wahlergebnisse dokumentiert ist. Weit entfernt von “wertegeleiteter” oder “regelbasierter” demokratischer Politik.

Dito Amerika. “Deshalb ist es wichtig, dass wir uns zwar mit den Amerikanern eng abstimmen, gleichzeitig aber auch einen genuinen europäischen Ansatz für unser künftiges Engagement im Indopazifik entwickeln” Da hat Mützenich das Medium, in dem er selbst veröffentlicht, nicht hinreichend gelesen. Seit vielen Jahren kooperiert der Beueler Extradienst publizistisch mit der Bonner Informationsstelle Lateinamerika. Europa ist nicht nur die EU, und schon gar nicht mit Deutschland identisch. Dies gilt – politisch noch weit ausgeprägter – für die USA und Amerika. Nicht nur aktuell, sondern schon immer. Und immer, wenn das vergessen wird, werden Scherbenhaufen angerichtet.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
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