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Antiparlamentarisch?

Der Essener AfD Abgeordnete Stefan Keuter ist einer breiteren Öffentlichkeit bekannt geworden, nachdem er auf WhatsApp in der Naziideologie verhaftete Motive versandt hatte. Auf einem Motiv ist ein offenkundiger Soldat der Hitler-Wehrmacht zu sehen, der mit einem Maschinengewehr ausgestattet ist. Begleittext Keuters: „Das schnellste deutsche Asylverfahren, lehnt bis zu 1400 Anträge in der Minute ab!“

Zuerst hatte der Abgeordnete, der seit 2017 im Bundestag ist, erklärt, damit habe er nichts zu tun. Dann meinte er, er habe diese Motive einem früheren Mitarbeiter geschickt, der für ihn das gesamte politische Spektrum beobachtet habe. Die FAZ hat den Vorgang ausführlich dargestellt:.

Es gibt weitere Vorwürfe gegen Keuter, die Gerichtsaktenfest sind: „Heil Hitler“, „Judensau“ etc.

Vergangene Woche hat Keuter im Bundestag anlässlich der Haushaltsberatungen zum Haushalt des Auswärtigen Amts geredet. Dabei beschuldigte er die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel, sie habe mehr Unglück über die Deutschen gebracht als alle anderen, die als Unglücksbringer in Frage kämen, ausgenommen der „böhmische Gefreite“, So nannte Reichspräsident von Hindenburg Adolf Hitler. Man kann sich diese Widerlichkeit auf YouTube anhören und anschauen.

Anders: Mehr als die blutsaufenden NS-Generale, mehr als Himmler und Goebbels habe Angela Merkel Unglück über die Deutschen gebracht. Das zu behaupten ist abscheulich und falsch.

Die amtierende Parlamentspräsidentin Göring-Eckhardt hat Keuter mit der mildesten der möglichen Parlaments-Sanktionen belegt – mit einer Rüge, denn was Keuter gesagt habe, sei antiparlamentarisch. Von einer weitergehenden, nach der Geschäftsordnung des Bundestages möglichen Sanktion ist keine Rede. Nach Paragraph 38 der Geschäftsordnung kann ein Abgeordneter des Plenums verwiesen werden – bis zu 30 Tagen und nach einer Überarbeitung dieses Paragraphen 2009 bis zur auf den Vorfall folgenden Parlamentssitzung rückwirkend. Das ist nicht geschehen.

Es geht hier nicht um die Frage, ob jemand Frau Merkel für erfolgreich oder nicht, tadelnswert oder nicht hält. Das ist jedem selbst überlassen. Aber: Der Bundestag hat vier Mal Koalitionen gebildet, die diese Frau mit Mehrheit das Kanzleramt angetragen haben. Drei Mal mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD, ein Mal mit den Stimmen von CDU/CSU und FDP. Es ist eine Frage der Selbstachtung des Parlaments, sich gegen eine solche beleidigende Diffamierung zu wehren – und zwar anders als die in der vergangenen Woche transusig amtierende Frau Göring-Eckhardt. Auch die Linke hätte da trotz aller Kritik „grätschen“ müssen.

Leute wie der Abgeordnete Keuter tun solches nicht aus persönlicher Boshaftigkeit. Das mag mitspielen. Sie tun das, weil sie die Institution Bundestag, das Verfassungsorgan Bundestag lächerlich machen wollen. Sie wissen sehr gut, dass es für sie darauf ankommt, in einer sich aufspaltenden Gesellschaft die Institutionen zu schwächen, die für den Zusammenhalt da sind. Dazu gehört an erster Stelle der Deutsche Bundestag.

Es ist – wie erwähnt – leider zu spät, im Sinne des Paragraphen 38 der Bundestagsgeschäftsordnung etwas gegen Keuters Aktion zu unternehmen. Leider.

Über Klaus Vater / Gastautor:

Klaus Vater, geboren 1946 in Mechernich, Abitur in Euskirchen, Studium der Politikwissenschaft, arbeitete zunächst als Nachrichtenredakteur und war von 1990 bis 1999 Referent der SPD-Bundestagsfraktion. Später wurde er stellvertretender Sprecher der deutschen Bundesregierung. Vater war zuvor Pressesprecher des Bundesministeriums für Gesundheit unter Ulla Schmidt, Sprecher von Arbeitsminister Walter Riester, Agentur-, Tageszeitungs- und Vorwärts-Redakteur. Mehr über den Autor auf seiner Webseite.

Ein Kommentar

  1. Roland Appel

    Claudia Roth wäre das nicht passiert, Antje Vollmer und Rita Süssmuth nicht. Wahrscheinlich nicht mal Kubitzki. Wie kann es sein, dass dieser Rechtsextremist mit einer derartigen Verbalinjurie durchkommt? Die ständige Präsenz von Nazis im PArlament scheint auch die Sensibilität des Präsidiums für solche Dinge zu vernebeln. Im übreigen kann der Ältestenrat m.W. auch noch später Sanktionen beschließen.

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