DLF folgt dem WDR
Wie es in den Überresten des Journalismus des WDR zugeht, das beleuchtet Sebastian Weiermann/uebermedien: “Untergetauchte Linksextremisten: Aktenzeichen NDR/WDR ungelöst – Tagesschau.de berichtet ‘exklusiv’ über die Fahndung nach Johann G. und den angeblichen Anstieg von untergetauchten Linksextremisten. Dabei beruht die Recherche vor allem auf Informationen von Sicherheitsbehörden, die der Beitrag unkritisch wiedergibt.” Ich kann nicht behaupten, dass mich das noch überrascht.
Personelles erklärt Systeme nicht. Aber es illustriert sie. Jona Teichmann ist seit zwei Jahren Programmdirektorin des Deutschlandfunks, also des Radiosenders, zu dem ich vor dem glattgebügelten dudelnden WDR geflohen bin. Sie ihrerseits hat treffend kalkuliert, dass es besser für sie ist, Interessenkollisionen mit ihrem Gatten Jörg Schönenborn aus dem Weg zu gehen. Letzte Woche hat sie nun offensiv “verkauft”, dass ihr Sender den Manuskriptservice für uns, das Publikum, zurückfahren – faktisch weitgehend einstellen – wird. Als Claudia Roth heute im DLF ein “Interview der Woche” gegeben hatte, machte ich den Test. Tatsächlich: seit schon sehr langer Zeit bietet die DLF-Homepage keine Textfassung mehr an. Mich vertreibt der Sender auf diese Weise. Ich höre mir nicht 30 Minuten an, was ich in 5 Minuten lesen kann. Schliesslich bin ich schon 66, und meine Zeit ist knapp. Und es ist ja nicht so, dass ich diese knappe Zeit nicht mit anderen Medien effektiver verbringen kann.
Frau Teichmann entpuppt sich auf diese Weise als würdige Repräsentantin von Führungskräften im öffentlich-rechtlichen Dienst. Sie wollen nicht uns, ihren Arbeitgeber*inne*n gefallen, sondern denen, mit denen sie sich alltäglich umgeben: den Wichtigtuer*inne*n unseres Landes plus denen, die die reale Oberschicht bilden. Dazugehören ist der Antrieb, nicht Verantwortung.
Wenn eine Programmdirektorin solche Kapitulationen verkündet, sitzt sie nicht uns gegenüber, sondern denen, die für 5-6 deutsche Zeitungsverlags-Milliardärsfamilien arbeiten. Diese haben schon seit Jahrzehnten keine Geschäftsidee mehr für die real existierenden Digitalkapitalismus-Zeiten – aber sie kriegen den Hals nicht voll, wollen auf ihre alten Tage noch mitnehmen (inkl. Staatssubventionen für Zeitungsausträger), was ihnen willfährige öffentlich(-rechtlich)e Amtsträger*innen anbieten. Sie müssen ja an ihre Erbengemeinschaften denken. Frau Teichmann, das ist wirklich sehr, sehr arm.
Besonders bedauerlich ist das für mehrere hundert engagierte Mitarbeiter*innen, mehrheitlich nicht festangestellt, deren Schaffen ich und viele Andere auf diese Weise nicht mehr zur Kenntnis nehmen werden. Ein relevanter Teil demokratischer digitaler Öffentlichkeit wird gekillt. Danke auch, und tschüs.
Hier folgt Relevantes: Zurichtung der Individuen
Das Individuum ist dem Liberalismus heilig. So habe ich es – plus die Wertschätzung der “bürgerlichen” Grund-, Freiheit- und Menschenrechte – gelernt. Wenn Sie nun zum Folgenden die widerständigen Liberalen entdecken, sagen Sie mir bitte Bescheid.
Haben die o.g. Menschen wenigstens geringfügige Ahnung von dem, was Richard Gutjahr kennt, und ein Berufsleben lang kritisch begleitet? Bitte schön: “Falsche Freunde: Die Geburtsstunde der Synthetic Social Networks – Nur eine Künstliche Intelligenz? Reicht nicht! Meta will schon bald seine Plattformen (Facebook, Instagram, Whatsapp) mit künstlich erzeugten, synthetischen KIs fluten, die sich als persönliche Freunde ausgeben. What could possibly go wrong?”
Bianca Ravel/Jungle World: “Die Models der Neunziger und die damaligen Schlankheitsideale kehren zurück: Die Rückkehr der Mager-Models – Für die Mailänder Fashion Week kehrten Naomi Campbell und Claudia Schiffer auf den Laufsteg zurück. Die Supermodels der Neunziger prägten ein extremes Schlankheitsideal, welches, wie Daten zeigen, ungeachtet der Diskussionen über »body positivity« wieder an Popularität gewinnt.” Ich bin kein Freund von Sündenbockmechanismen, auch nicht gegen die bitterböse Modeindustrie. Aber sie ist natürlich auch nicht irrelevant. Die Autorin analysiert treffend Kapital- und Hegemonie-Mechanismen. Die können eine Gesamtgesellschaft inkl. der Massenepidemie Essstörungen nicht bestimmen – aber selbstverständlich beeinflussen.
Exzellent mit einem materialistischen Analyse-Hintergrund und maximal ausgeruht die Soziologin Nina Degele (60) im taz-interview: “Über Schönheit: ‘Es gibt keinen natürlichen Zustand’ – Die Soziologin Nina Degele beobachtet das gesellschaftliche ‘Schönheitshandeln’. Sie erklärt, warum sie Authentizität für einen unmöglichen Begriff hält.”
Warnung: Eskapismus-Überdosis
Eins habe ich mit dem Interviewdarsteller Harald Schmidt gemeinsam: das Entspannen bei “Inspector Barnaby”. Montagabends zelebriere ich das rituell und genussvoll, als Alternative zur einstigen Fraktionssitzung der Grünen im Stadtrat. Wer der Mörder ist, interessiert mich weniger. Der klassische britische Humor und die skurrilen Gestalten sind es, die einem das Abendessen unterhaltsam verschönern. Allerdings: bei der zweiten Barnaby-Folge nicke ich meistens auf dem Sofa ein – 躺平, you know, what I mean? Was ZDFneo heute macht, geht also gar nicht: 4 Folgen hintereinander. Knapp 2 Mio. Zuschauer*innen sind montags für alle anderen Sender verloren. Aber wie viele bleiben wach?
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