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In Kürze: 20. Todestag

Das Kritische Tagebuch (WDR3) starb vor fast 20 Jahren grausam und erwartet

Mehr Symbolik geht kaum. Mit dem Ende dieses Jahres jährt sich zum 20. Mal das Ableben des Kritischen Tagebuchs, und damit ein Kernstück der damals noch existierenden Wortprogramme auf WDR3. Es war die – bis heute noch nicht zu Ende gegangene – Zeit der “Formatierung” von Radiowellen. Die bedeutete: alles ist verboten, was “den Zuhörer” zum ab- oder umschalten veranlassen könnte. Es darf nichts mehr geben, was ihn stört. Oder zum kritischen Denken anregt.

Das hatte das Kritische Tagebuch bis dahin 36 Jahre getan. Es hat imgrunde nie was Anderes getan als das. Und musste darum abgemurkst werden. Politisches Feuilleton in einem öffentlichen Sender – wer braucht sowas?

Wie kommichdrauf? Gestern erhielt ich einen freundlichen Anruf des letzten überlebenden – damals noch festangestellten! – Redakteurs Eberhard Rondholz. Die Zerstörer des Kritischen Tagebuchs atmeten auf, als er endlich in Rente ging, und sie sich mit weniger Widerstand im eigenen Haus ans Werk machen konnten.

Der gute alte weisse Mann erzählte mir von einer traumatisierenden Reise mit der wundersamen Bahn – von Berlin nach Bad Neuenahr in 8 Stunden, mit wehem Rücken und wirkungsloser Sitzplatzreservierung. So ähnlich, wie diese Dame hier.

Er war Redakteur, ich war Zuhörer und Fan. Wir Überlebenden werden zusammenhalten. Und die Zerstörer*innen demokratischer Öffentlichkeit nerven und belästigen. Wir haben ja sonst nichts zu tun.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net

2 Kommentare

  1. Rudolf Schwinn

    Lieber Martin,
    gut, dass Du die Vernichtung dieser werktäglichen Sendung, die im Zeichen der Aufklärung erarbeitet wurde, in Erinnerung bringst. 25 Minuten Reflektiertes am frühen Abend, der distanzierte Blick auf die obwaltenden Verhältnisse in der BRD, hatte die Programm-Gewaltigen des Kölner Senders verstört. Mit ihrem Aus für das “Kritische Tagebuch” verübten sie einen veritablen Bruch des Auftrags, den ein Staatsvertrag für die öffentlichen Rundfunkanstalten dieses Landes bestimmt.
    Herzlicher Gruss nach Beuel,
    rudolf schwinn.

  2. Helmut Lorscheid

    Lieber Martin , lieber Eberhard Rondholz,

    da wird mir ja ganz melancholisch – wenn ich das lese. Beim Kritischen Tagebuch, in Person damals von Marianne Lienau – habe ich meinen ersten Rundfunkkommentar geschrieben. Es ging um die Prügelei der US-Soldaten gegen Demonstranten in Ramstein. Besonders vermöbelt wurde damals die Nachrückerin der Grünen im Bundestag, Heidemarie Dann. Das KT war mein Zugang zum WDR, es sollten – viel später – u..a rund zehn gute Jahre als Freier bei Monitor folgen. Auch diese Sendung hat sich zumindest als kritische Sendung weitgehend abgeschafft.

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