mit Update nachmittags

Die real existierende Medienökonomie und die rechten Hetzer*innen haben materialistisch betrachtet ein gemeinsames Interesse. Paula Diehl, Professorin in Kiel, soll es so formuliert haben: “im ‘Drang zur Komplexitätsreduktion’, in der Neigung zur Zuspitzung, Emotionalisierung und Personalisierung etwa. Populisten bieten, so Diehl, durch ihre Logik der Gegensätze ‘ein konfliktträchtiges Narrativ’ für Medien. Es ist der Populismus der AfD, der Journalisten vor so große Probleme stellt, weil er sich so ähnlicher Mechanismen bedient wie sie.” Ich habe diese digital eingemauerte Wiedergabe aus der SZ-Paywall hier geklaut.

Im Rahmen spezieller deutscher Hysterie gibt es gegenwärtig einen Waschzwang. Wenn nur genug üble Gesellen ausgewiesen würden, dann wäre der deutsche Antisemitismus wirkungsvoll bekämpft. Betrachten wir es mal andersrum: wenn alle Antisemit*inn*en aus dem sauberen Deutschland ausgewiesen würden – wie viele blieben dann überhaupt über?

In diesem Gefüge wirkt es vergleichsweise vernünftig, nur leider auf der praktischen Ebene auch ratlos, was die ehemalige Geheimdienstlerin und heutige Berliner Justizsenatorin Felor Badenberg im Interview mit der Berliner Zeitung zu sagen hat: ‘Denke nicht, dass wir es mit reinem Integrationsproblem zu tun haben’ – Seit dem Angriff der Hamas auf Israel häufen sich in Berlin antisemitische Vorfälle.” Jedenfalls gibt sie ein besseres Bild ab, als ihr (PR-)krisengeschüttelter NRW-Amtskollege.

Diplomatie – es gibt sie doch noch

Update nachmittags: Die Interessenlage der USA leuchtet Trita Parsi, Präsident des Quincy-Instituts,  (dt. Übersetzung: telepolis) aus: Israel-Gaza: USA müssen Waffenstillstand fordern, um regionalen Krieg zu verhindern – Biden-Regierung stellt Israel einen Freibrief aus. Die Eskalation droht Albtraumszenario für Region zu erzeugen. Was getan werden muss.” Unter diesen Vorzeichen liegt die Wiederbelebung von Diplomatie als Mittel der Politik nahe. Update Ende

Darüber gibt Michael Maier/Berliner Zeitung einen aktuellen Überblick: Krieg in Israel: ‘Eine Schicksalswoche steht bevor’ – Israel bereitet sich auf einen Gegenschlag vor. Amerikaner und Chinesen versuchen, die Ausweitung des Krieges auf andere Staaten zu verhindern.”

Wo ein politischer Wille zur Diplomatie ist, wird sie praktiziert. Meine These: die Trümmerbilder aus Gaza tun ihre Wirkung. Ich selbst frage mich bei ihrem Anblick, was wohl aus den zahlreichen dort in dem Inferno traumatisierten Kindern anderes werden soll als Terrorist*inn*en.

Update nachmittags: Politisch ausformuliert finde ich das in einem längeren Zitat von Gideon Levy/Haaretz, das ich mir erlaube bei Florian Rötzer/overton zu klauen:

„Israel lässt sich auf eine gefährliche Militäroperation ein, die keine Aussicht auf Erfolg hat. Es kann seinen Verbündeten in Washington fragen, was Amerikas sinnlose Kriege für Regimewechsel in der ganzen Welt gebracht haben. Darüber, wie viele Menschen unnötigerweise getötet wurden und wer durch das amerikanische Schwert die Macht übernommen hat. Aber wir brauchen nicht Amerika oder auch nur an die Katastrophe der Palästinenser zu denken, um zu verstehen, dass wir auch für Israel an der Schwelle einer historischen Katastrophe stehen.

Wenn diese Mission tatsächlich ausgeführt wird und Israel den Gazastreifen auf den Kopf stellt, wird sich dies für Generationen in das Bewusstsein der arabischen Welt, der muslimischen Welt und der Dritten Welt einprägen. Eine zweite Nakba würde Hunderte von Millionen Menschen auf der ganzen Welt davon abhalten, Israel zu akzeptieren. Es könnte einige arabische Regime geben, die zunächst Zurückhaltung üben würden, aber die öffentliche Meinung in ihren Ländern würde diese Zurückhaltung nicht zulassen.

Den Preis dafür würde Israel zahlen, und er wird höher sein, als Israel derzeit denkt. Israel ist im Begriff, einen katastrophalen Krieg zu beginnen – oder es hat ihn bereits begonnen.“ Update Ende

Immerhin: aus meinen Eltern (2. Weltkrieg in den Trümmern Hamburgs bzw. des Ruhrgebiets) ist dann auch was Anständiges geworden. Wie konnte das gelingen? Dass sich Leute in den USA und China darüber den Strategen-Kopf zerbrechen, das ist zumindest gut und nicht so schlecht, wie vieles Andere, was sie schon angerichtet haben.

Auch eher gut als schlecht wäre es, wenn sich mehr deutsche Schreibtischhelden den Kopf über ihr eigenes Treiben so zerbrechen würden, wie es hier Klaus Raab/MDR-Altpapier tut.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net