Plädoyer an Berliner Muslime – Unser Autor Dervis Hizarci ist gebürtiger Berliner und Muslim. Er fordert seine muslimischen Geschwister zum Frieden auf.
Liebe Muslime,
liebe muslimische Verbände,
liebe Imame,
liebe muslimische Repräsentanten,
liebe muslimisch gelesene,
liebe Geschwister,
Auch wenn Ihr es vielleicht schon längst getan habt,
auch wenn Ihr Euch nicht angesprochen fühlt, weil Ihr nichts damit zu tun habt oder haben wollt, auch wenn die Forderung, das zu tun, vielleicht falsch zu sein scheint,
auch wenn Ihr Eure eigenen Sorgen habt,
auch wenn Ihr Angst habt oder glaubt, es wird ohnehin nichts nützen.
Auch wenn Ihr in der Vergangenheit Ähnliches getan und keine guten Erfahrungen gemacht habt,
auch wenn manche sagen, „das nur sind Lippenbekenntnisse“,
auch wenn manche sagen „jetzt ist eh zu spät“:
Macht es! Auch, weil der Krieg kein vordergründig religiöser Krieg ist.
Macht es! Auch, wenn Ihr Euch damit in Gefahr bringt.
Macht es für die, die glauben, „es ist niemals zu spät.“
Macht es für die, die sich das ernsthaft und ehrlich wünschen.
Macht es auch für die Kinder und Jugendlichen in Schulen, die stigmatisiert und kriminalisiert werden.
Macht es!
Und zwar nicht, weil diese Form der Bekundung richtig zu sein scheint, sondern weil die Sache an sich inhaltlich und im Kern richtig ist.
Macht es!
Verurteilt Gewalt und Terror!
Verurteilt den Terror der Hamas und anderer terroristischer Organisationen, die ihre Akte der Barbarei im Namen des Islam tun!
Zeigt Mitgefühl und Anteilnahme mit den jüdischen Opfern! Mit Opfern von Gewalt, Vergewaltigung und Mord auf israelischer Seite.
Zeigt Verständnis dafür, dass Israel – als Staat für Jüdinnen und Juden – das Recht hat, zu existieren, so wie Ihr auch einsteht für einen palästinensischen Staat.
Verurteilt das Feiern und Verherrlichen von Gewalt und Terror auf deutschen Straßen!
Zeigt Euch solidarisch mit Jüdinnen und Juden in Deutschland!
Macht deutlich, dass Ihr ihre Sorgen um Sicherheit, dass Ihr ihre Ängste und Traumata verstehen könnt oder zumindest verstehen wollt.
Seid solidarisch mit Jüdinnen und Juden und verurteilt den Antisemitismus!
Sprecht Euch für Frieden und gegen Hass, Gewalt und Krieg aus!
Macht es, weil es richtig ist!
Macht es, damit wir die Gräben füllen und einen Boden haben, auf dem wir gemeinsam wachsen und leben können.
Macht es, damit wir Verbündete sein können, damit wir Brücken haben. So viele Brücken, dass wir nicht wissen, auf welchen wir laufen wollen.
Macht es für Frieden.
Macht es für ein gemeinsames Miteinander.
Macht es, damit es dann unsere Aufgabe wird, uns mit Euch zu solidarisieren.
Macht es, damit wir es anderen weitererzählen.
Macht es, damit wir beschämt sind, wenn wir feststellen, dass Eure Reichweite beschränkt ist.
Macht es, damit wir uns insgeheim schämen, wenn wir uns nicht hinter Euch stellen, obwohl Ihr es getan habt und wir es immer noch nicht wahrhaben wollen.
Macht es für uns, die Jahre, Jahrzehntelang gegen Antisemitismus kämpfen.
Auch gegen den, den es unter Muslimen gibt.
Macht es für uns, denen antimuslimischer Rassismus bekannt ist. Für uns, die wissen, dass aus den Problemen, die es bei Muslimen gibt, oft verallgemeinernd das Problem „die Muslime“ wird.
Macht es für die, die sich beim Thema Antisemitismus nicht nur zu Wort melden, wenn es von Muslimen kommt.
Seid solidarisch mit denen, die sich auch für Euch einsetzen.
Seid solidarisch mit denen, die Euch als vermeintliche Gegner gegenübergestellt werden.
Seid solidarisch, damit Ihr Solidarität erfahrt.
wartet nicht auf den Ort jenseits von richtig und falsch, sondern seid hier und jetzt.
Seid richtig. Seid falsch. Seid Mensch.
Für das Gute und gegen das Böse.
Nicht mehr und nicht weniger steht auf dem Spiel.
Der gebürtige Berliner Dervis Hizarci war in Kreuzberg Lehrer und Antidiskriminierungsbeauftragter des Berliner Senats. Er ist Muslim und kämpft seit 20 Jahren gegen Antisemitismus und Rassismus und für Dialog und Toleranz. Dafür erhielt er auch das Bundesverdienstkreuz. Dieser Beitrag unterliegt der Creative Commons Lizenz (CC BY-NC-ND 4.0). Er darf für nicht kommerzielle Zwecke unter Nennung des Autors und der Berliner Zeitung und unter Ausschluss jeglicher Bearbeitung von der Allgemeinheit frei weiterverwendet werden.
Ein Text für den nächsten Wandkalender der örtlichen freiwilligen Feuerwehr. Nein ehrlich, hier eine andere Aussage von Ihm:
Antisemitismus und Israelfeindschaft sind in Deutschland aber ein weit verbreitetes Phänomen. Das muss man ganz klar sagen. Die Zustimmung zu sogenanntem israelbezogenen Antisemitismus liegt in Deutschland bei über 40 Prozent. Man könnte grob sagen, fast jede zweite Person in diesem Land hat eine problematische Einstellung dazu. (https://www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/hizarci-antisemitismus-praevention-100.html)
Wieder mal Vermengung von allem möglichen aber bezogen auf die Welt um uns herum, könnte man ja fast sagen wir Deutschen nähern uns langsam an die Sicht, die die die Welt um uns herum hat, an. Die sehen Israel nämlich überwiegend als Apartheid Staat . Ich weigere mich noch, die Sicht anzunehmen und hoffe noch auf die Selbstheilungskräfte der israelischen Gesellschaft denn nur von da aus kann der Prozess durchbrochen werden, nicht auf Kreuzberger Schulhöfen. Diese Jugend sieht täglich in hunderten von Videos die alltägliche Rechtlosigkeit während wir uns indigniert (wenn wir es überhaupt wahr nehmen) abwenden und verschließen.
Das ist sicher gut gemeint, aber wird zu nichts führen. Man kann nicht vor lauter ehrenwerter Menschenfreundlichkeit und Friedensliebe grundlegende – historische – Fakten ignorieren, so z.B. den, dass Israel nicht der Staat “der” Juden ist, sondern der einer politischen Strömung unter – vornehmlich aus dem christlichen Abendland nach Palästina eingewanderte Juden. Bis zum Holocaust des deutschen Faschismus war der Zionismus eine eindeutige Minderheitsströmung unter den europäischen Juden und unter denen in der islamischen Welt weitgehend unbekannt. Erst der Holocaust und die Unwilligkeit der demokratischen Staaten des Wertewestens, ” allzuviele” von ihnen aufzunehmen, hat dem Zionisten die notwendige Massenbasis verschafft. Für ” uns Christenmenschen” in den seit Jahrhunderten durch zunächst religiös und sodan rassistisch begründeten Judenhass war das sehr praktisch, konnten wir doch die “uns” anstehende “Wiedergutmachung” auf Kosten des palästinensischen Volkes leisten, das zwar mit den antijüdischen Verbrechen in Europa nichts zu tun hatte, aber praktischerweise relativ nahe der Erdölvorkommen des Nahen Ostens wohnte.
Das und die reale Kolonialpolitik der Zionisten seit 1948 gegenüber den ” Eingeborenen” beachtend kann es nur eine gerechte und zukunftsweisende Lösung geben: ein demokratisches Palästina für alle dort präsenten Vöker und Angehörige aller Religionen oder auch Relihionslosen. Das es dafür heute nicht ausreichend Kräfte gibt, macht dieses Ziel ebenso wenig falsch wie das der nachhaltigen Produktion, die natürlich im Rahmen des Kapitalismus ebenso illusorisch ist. Die von den bekannten interessierten Kräften propagierte ygleichsetzing von ” Antizionismus” und “Antisemitismus” ist im übrigen selbst strukturell antisemitisch rassistisch setzt sie doch die nicht selbst gewählte Zugehörigkeit zu einem – wie auch immer definierten – Volk mit einer politischen Ideologie gleich etwa als sage man: weil Du Deutscher bist, bist Du Nazi, CDUler, SPDler oder “PdL”ler.
es ist doch immer wieder “toll”, dass es Menschen gibt, die glauben, im Besitz der “absoluten Wahrheit” zu sein.