Einer der letzten lebenden „Universalgelehrten“ des Abendlandes ist keiner. Das ist ein Schlag, der uns alle trifft. Uns Suchende auf den zunehmend zuwachsenden und vernachlässigten, holprigen Wegen zu Weisheit und Wissen. Eine der Sonnen, die immer schienen, vor Sun rise und nach Sun set ist weg. Nicht erloschen oder verdeckt sondern weg. So muss Mensch urteilen, nachdem der Universelle, der Philosoph Richard David Precht und der Moderator Markus Lanz über die Arbeitswelt orthodoxer Juden philosophierend hinweg gezogen waren. Bonnerinnen und Bonnern ist der Philosoph vielleicht noch als Interviewpartner des Journalisten Mario Quadt in Erinnerung, vom Bonner General-Anzeiger am 18. September 2015 wiedergegeben. Da hieß es:

Frage: „Da uns Deutschen zu eigen ist, alles und jeden in Schubladen zu stecken, sind Sie bereits mit dem Etikett ‘Richard Clayderman der Philosophie’ behängt worden. Behagt Ihnen das?“
 Antwort Precht: „Man verlieh mir auch das Etikett ‘André Rieu der Philosophie’ oder auch ‘Mick Jagger des Sachbuchs’. Da gibt es einiges. Ich denke auch, man könnte sich mal etwas anderes einfallen lassen.“

Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, würden gewiss erstaunliche Dinge einfallen, um Prechts Bitte („mal etwas anderes einfallen lassen“) zu erfüllen. Im Abspann des Gesprächs wird übrigens darauf hingewiesen, dass Precht 1969 in Solingen „das Licht der Welt“ erblickt habe. Stimmt, aber dafür kann Solingen nichts.

Der Verlust ist im Verlauf eines Podcast- esprächs zwischen zwei Zeitgenossen eingetreten, zwischen Lanz und Precht, Precht und Lanz. Diese Art der Wissens- und Weisheitsvermittlung ist eigentlich nichts Neues. Aus den USA kennen wir „Stan&Ollie“ (das ist die vornehme sprachliche Version), den älteren Rheinländern ist Tünnes&Schäl bekannt.

Precht hatte Lanz zugewandt gesagt, orthodoxen Juden verbiete es ihre Religion, wie andere zu arbeiten. Und: “Ein paar Sachen, wie Diamanthandel und ein paar Finanzgeschäfte ausgenommen.” Der Moderator antwortete: „Genau, genau………. richtig genau….. .“

Leider kann Mensch diese Podcast-Passage nicht mehr präzise nachempfinden, denn sie wurde vom ZDF gelöscht. Ein paar Finanzgeschäfte. Diese „paar Finanzgeschäfte“ sind nun mal ein zentraler Punkt des Antisemitismus und der Verleumdung der Jüdinnen und Juden. Seit vielen Jahren ist das so. Die angebliche Vorliebe der Juden zu Geld und Wucher gehört in den Bereich der übelsten Verschwörungs-Behauptungen. Diffamierend und zeitweise tödlich, wie wir alle wissen können.

Das ZDF hat diese Passage gelöscht nachdem Kritik laut geworden war; und machte die ganze üble Angelegenheit noch schlimmer. Der Sender textete: “Wir bedauern, dass eine Passage in der aktuellen Ausgabe von ‘Lanz & Precht’ Kritik ausgelöst hat. An einer Stelle wurden komplexe Zusammenhänge verkürzt dargestellt, was missverständlich interpretiert werden konnte. Deshalb haben wir diesen Satz entfernt.”

Es sind also komplexe Zusammenhänge verkürzt dargestellt worden. Und daher hätten die verkürzten Zusammenhänge missverständlich interpretiert werden können. Was wäre denn die Langfassung der verkürzten Zusammenhänge gewesen? Ein Abschnitt aus den „Protokollen der Weisen von Zion“? Oder eine Redepassage von Chef Orban über George Soros? Das ZDF bedauert nicht, dass ein derartiger Mist über seine Sendemasten ins Land gepustet wurde, sondern es bedauert, dass Kritik entstanden ist.

Auch der Universalgelehrte hat sich zu Wort gemeldet. Da seien Dinge gesagt worden, die Kritik ausgelöst und Anstoß erregt hätten. „Das möchten wir natürlich nicht und das bedauern wir auch sehr, dass das so ist. Zumal es nicht ansatzweise irgendwie so gemeint gewesen ist, wie es aufgefasst wurde“.

Gesagt hatte er die „Finanzgeschäfte“-Passage aber doch; oder meint der Mann, dass das irgendwie raus gerutscht so sei wie nicht gesagt? Dann bräuchte der sich tatsächlich nicht zu entschuldigen. Was aber ist zudem mit den Leuten, die nichts missverstanden haben, sondern sich angesichts des grassierenden Antisemitismus gedacht haben: Sieh einer an! Hätt ich nicht gedacht. Der auch.
Und Prechts moderierender Co-Pilot Lanz hatte erklärt, er habe beim „genau, genau“ bereits den nächsten Gedankenzug im Kopf gehabt. Kann man nur noch schreiben: Schnelldenker unter sich! Genau. So ist das. Voll daneben, einfach Schei…

p.s.: Habe eben nachgeguckt: Das Abendland hat es überstanden. Ist immer noch da.

Über Klaus Vater / Gastautor:

Klaus Vater, geboren 1946 in Mechernich, Abitur in Euskirchen, Studium der Politikwissenschaft, arbeitete zunächst als Nachrichtenredakteur und war von 1990 bis 1999 Referent der SPD-Bundestagsfraktion. Später wurde er stellvertretender Sprecher der deutschen Bundesregierung. Vater war zuvor Pressesprecher des Bundesministeriums für Gesundheit unter Ulla Schmidt, Sprecher von Arbeitsminister Walter Riester, Agentur-, Tageszeitungs- und Vorwärts-Redakteur. Mehr über den Autor auf seiner Webseite.