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Die Welt zu Gast bei Freunden?

Wie die Herrschenden ein AfD-Deutschland vorwegnehmen

Es war 2006, die Jüngeren können das nicht wissen. Ich hatte grade meinen Job bei der Grünen-Stadtratsfraktion angetreten. Die rotgrüne Bundesregierung hatte den Deutschen Fussballbund (DFB) tatkräftig dabei unterstützt, bei der korrupten Fifa die WM zu kaufen. Sie bekam bis heute den Stempel “Sommermärchen”, und bis heute werden Prozesse um die damaligen Geldschiebereien geführt. Die 2005 neugewählte Angela Merkel erntete in ihren bunten Hosenanzügen auf der VIP-Tribüne das, was Gerhard Schröder und Otto Schily gesät hatten.

Meine Überschrift – ohne das Fragezeichen – war das offizielle Marketinglabel dieser Veranstaltung. Es hatte tatsächlichen Kontakt mit der Wirklichkeit. Entsprechendes Wetter vorausgesetzt war auch Bonn an manchen Spieltagen ein einziges Strassenfest. “Die Welt” staunte stellenweise über die feierfreudigen Deutschen, und die herrschenden Medien entfalteten einen Diskurs von “unverkrampfter” Normalität. Deutschlands Nationalismus sei auch nicht anders als die andern, und müsse jetzt bei den Grossen der Weltpolitik (endlich, endlich) mitspielen.

Das war schon damals falsch, und selten wurde es so drastisch bewiesen, wie in der Gegenwart. Vorige Woche war “die Welt” wieder von Deutschland eingeladen, zu den Filmfestspielen in Berlin, die allzu gerne mit Cannes und Venedig in der gleichen Liga spielen wollen. Unter der Leitung des NRWlers und heutigen WDR-Rundfunkrates Dieter Kosslick (2000-2019) waren sie auf einem guten Weg dazu.

In diesem Jahr zeigen die deutschen – nunja, äh – “Gastgeber” ihre eigentliche historisch verbriefte Stärke: die Selektion. Als Werkzeug wird dafür ausgerechnet der Antisemitismus eingesetzt. Wenn den irgendjemand nicht definieren sollte, dann sicher das Land, das ihn bislang am mörderischsten zur Anwendung gebracht hat. Aber das kann das Deutschland unserer Zeit nicht aufhalten.

Dieses Deutschland versucht sich von der Mehrheit der Welt da draussen zu immunisieren und die real existierende Globalisierung zurückzudrehen (“Decoupling”). Was das praktisch bedeutet, soll nicht öffentlich thematisiert werden – wird es selbstverständlich trotzdem, und damit die bestehende politische Ordnung weiter und umso unkontrollierbarer destabilisieren.

Das offizielle Werbemotto der diesjährigen EM, von der die Veranstalter ein erneutes Sommermärchen erträumen, lautet “United by Football. Vereint im Herzen Europas“. Das spricht nur ausgewählte Teile der “Welt” an. Deutschlands Stärke: die Selektion.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net

Ein Kommentar

  1. Helmut Lorscheid

    Da Fußball nicht direkt zu meinen Hauptinteressen gehört, habe ich damals in Berlin eher gelitten. Womit ich mich damals befasst habe, war die Hartherzigkeit des damaligen Außenminister Steinmeiers, Der hatte der Jugendmannschaft aus Togo und einem weiteren afrikanischen Land aus “Sicherheitsbedenken” die Einreise verweigert. Die Jungs -ob es auch eine Mädchen-Jugendmeisterschaft gab und gibt – weiß ich nicht . jedenfalls die Jungs hatten sich natürlich Jahre lang darauf gefreut. Und dann kam Steinmeier, Ich habe damals Steinmeier am Rande eines SPD-Festes gefragt, worin denn die “Sicherheitsbedenken” genau bestünden. Er meinte, es gäbe die und mehr könne er dazu nicht sagen.
    Aber der Typ hat ja auch den Bremer Murat Kurnaz Jahre lang im Foltergefängnis Guantanamo verrotten lassen. Solche Figuren können bei uns Bundespräsident werden.

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