Was bedeutet es, wenn deutsche TV-Anstalten in ihre Archivkeller hinabsteigen, um von dort Perlen ans Licht zu bringen, die sie nur noch äusserst selten imstande sind frisch und aktuell zu produzieren? Die Antwort überlasse ich Ihnen. 1995-2003 wurde ich dafür bezahlt, Medienstaatsverträge der Bundesländer zu lesen. Ohne Geld habe ich keine Lust mehr dazu. Nach meiner oberflächlichen Wahrnehmung ist der Widersinn, der in diesen Staatsverträgen steht, mitverantwortlich dafür.

Denn neben den Lizenzverträgen, die die Anstalten mit den Urheber*inne*n abschliessen, und die als “Geschäftsgeheimnis” der Öffentlichkeit nicht offengelgt werden, sind es die Medienstaatsverträge, die auf Druck der Milliardärslobby der Zeitungs- und Zeitschriftenverleger*innen den bereits von der TV-Haushaltsabgabe bezahlten Mediatheken Veröffentlichungsfesseln anlegen. Trickreich müssen Intendanzen, Programmdirektionen, Justiziariate und die Webmaster der Mediatheken diese Fesseln zu umschiffen versuchen.

So geschieht es in dieser Woche, dass die ARD Bjarne Mädels “Tatortreiniger”-Staffeln aus dem Keller holt, heute nach der Tagesschau bis tief in die Nacht auf One, und dann hoffentlich mediathekverfügbar. Bei Redaktionsschluss dieses Textes war die ARD noch nicht in der Lage eine Verfügbarkeit voranzukündigen. Ob sie es ganz lässt? Sie und ich dürfen rätseln. Wenn es verfügbar wird, dann hier.

Warum ist diese Reihe so besonders? Nach seiner Starwerdung bei “Stromberg” und “Mord mit Aussicht” ging Bjarne Mädel eigene kreative Wege. Diese kammerspielartigen Serienfolgen ereichten mühelos filosofisches Niveau, spannendes Denken wurde in Dialogen gespielt. Manche finden es dialoglastig, mir ging es nicht so. Mädels nächster Schritt waren dann seine Regiearbeiten “Sörensen”. Ein Gewinn für das deutsche TV-Schaffen.

Nachtschicht/ZDF

Dieser ZDF-Reihe habe ich schon die verdiente Hymne gesungen. Das ZDF hat zahlreiche Folgen diese Woche im Nachtprogramm versendet. In zwei Staffeln aufgeteilt finden sich erfreulich viele Folgen jetzt mit unterschiedlich langen Verfügbarkeiten in der Mediathek. Ich glaube, die sind gut gealtert. Ich habe alle gesehen, und werde sie wieder gucken – allein wegen des wechselnden aber immer erstligatauglichen Casts.

Und ich hoffe, so lange Regisseur Lars Becker und Hauptdarsteller Armin Rohde können, wird weiter jedes Jahr eine neue Folge gedreht.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net