Vor 25 Jahren, am 1. Januar 1999, trat die Konvention von Ottawa in Kraft. Der volle Name dieses völkerrechtlichen Vertrages lautet „Übereinkommen über das Verbot des Einsatzes, der Lagerung, der Herstellung und der Weitergabe von Antipersonenminen und über deren Vernichtung.“ Die Ächtung von Personenminen war eine anspruchsvolle Zielsetzung und die Einigung hatte jahrelanger Verhandlungen bedurft. Angesichts der Vielzahl von menschlichen Opfern, die es in den vorhergehenden Jahrzehnten während kriegerischer Auseinandersetzungen, vor allem aber danach, gegeben hatte, war diese Konvention ein großer Erfolg, manche sprechen von einer bahnbrechenden Wirkung.

Dennoch muss die Konvention unter zwei einschränkenden Gesichtspunkten betrachtet werden. Erstens sind ihr bei weitem nicht alle Staaten dieser Welt beigetreten, wichtige fehlen. Zweitens ist ein Vertrag nicht unbedingt eine Garantie dafür, dass keine Personenminen mehr eingesetzt werden. Zudem gibt es noch viele Millionen Minen, die aus früheren militärischen Einsätzen stammen und immer wieder Opfer fordern. 2020 sollen es 7000 Personen gewesen sein. Rund 80% kommen aus der Zivilbevölkerung, mehr als 40% sind Kinder.

2020 gab es schätzungsweise 110 Millionen verlegte – und wahrscheinlich noch scharfe – Minen, die potentielle Gefahren für Menschen bedeuten. Derzeit gibt es etwa 500.000 überlebende Minenopfer, die die Berührung mit einer Mine mit einer Behinderung überlebt haben und dann lebenslang Unterstützung und Betreuung brauchen. Erblindung, Gehörverlust, Verbrennungen und Verstümmelungen an Beinen oder Armen sind typische Landminenverletzungen. Mehr als die Hälfte der Opfer wurde durch selbstgebaute Minen verletzt.

Nach Angaben der internationalen Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch sind im Ukrainekrieg von beiden Seiten Antipersonenminen eingesetzt worden. Russland ist nicht Unterzeichner der Konvention. Die ukrainische Regierung hat aufgrund der Vorhaltungen von Human Rights Watch im Juni 2023 zugesagt, „den mutmaßlichen Einsatz von verbotenen Antipersonenminen durch das ukrainische Militär zu prüfen.“ Ergebnisse liegen offenbar noch nicht vor. 

Mehr als 160 Staaten sind der Konvention beigetreten, darunter Deutschland. Wichtige Länder fehlen, auch die USA, Russland und China, also drei der fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates. Weitere Staaten, die sich weigern, dem Abkommen beizutreten, sind u.a. Ägypten, Indien, Iran, Israel, Kuba, Libyen, Nord- und Südkorea, Myanmar, Pakistan, Saudi-Arabien und Syrien. Insgesamt sind es 32. Es erstaunt  nicht, dass hier ähnlich wie bei anderen Abrüstungs- oder Menschenrechtsverträgen immer wieder die gleichen Namen auftauchen.

Die Ottawa-Konvention verbietet, wie es ihr voller Name sagt, Produktion, Einsatz, Weitergabe und Lagerung aller Arten von Anti-Personen-Minen und strebt ihre Vernichtung an. Innerhalb von vier Jahren nach Inkrafttreten – also bis Anfang 2003 – müssen die Unterzeichnerstaaten alle gelagerten Minen vernichten und innerhalb von zehn Jahren alle auf ihrem Territorium befindlichen Minen räumen. Dazu müssen die Staaten entsprechende Gesetze und Vorschriften einführen und jährlich über den Stand ihrer Bemühungen berichten. 

Laut Angaben des Aktionsbündnisses ‘Landmine’ werden Antipersonenminen höchstwahrscheinlich noch in Indien, Iran, Myanmar, Pakistan und Russland hergestellt; in China, Kuba, Nord- und Südkorea, Singapur und Vietnam sprechen Anzeichen dafür.

Der Vertrag regelt nicht nur das Verbot von Personenminen, sondern verpflichtet die Mitgliedstaaten auch zur Minenräumung und Opferhilfe. Rund 30 Länder konnten inzwischen als minenfrei erklärt werden; 60 Staaten sind immer noch minenbelastet. Ist ein Land von Minenfeldern betroffen, so muss die Regierung ihre Bevölkerung aufklären und betroffene Gebiete markieren. Personen, die Opfer von Minen geworden sind, haben laut Vertrag Anspruch auf Unterstützung bei der Rehabilitation und bei der sozialen und wirtschaftlichen Wiedereingliederung. Dieser Teil der Konvention läuft offenbar nur sehr schleppend.

Das Minenverbot bewirkte eine drastische Senkung der Opferzahlen. Es rettete tausende Menschenleben. Laut Schätzungen von ‘Landmine’ ist die Zahl der Opfer von mehr als 20.000 Personen (1999) auf unter 5.000 (2022) zurückgegangen. Eine höhere Minderung haben vor allem die Konflikte in Syrien, Irak und Jemen verhindert. Offiziell wurden bislang in den Vertragsstaaten mehr als 55 Mio. Antipersonenminen vernichtet. Nichtmitglieder verfügen noch über rund 50 Mio. Minen, davon knapp die Hälfte in Russland. 

Die Konvention lenkt den Blick vom militärischen auf den humanitären Aspekt. Sie setzt Maßstäbe für multilaterale Regelungen und übt insofern positiven Einfluss auf künftige Abrüstungsabkommen aus. Weitere Initiativen wie die zum Verbot von Streumunition wurden beflügelt. Das Übereinkommen über Streumunition (sog. „Oslo-Übereinkommen“), ein völkerrechtlicher Vertrag zum Verbot des Einsatzes, der Entwicklung, der Herstellung, des Erwerbs, der Lagerung, der Zurückbehaltung und der Weitergabe von Streumunition, ist seit 1. August 2010 in Kraft. 

Der Ottawa-Vertrag hat die verheerenden Auswirkungen der Personen-Minen auf die betroffene Bevölkerung deutlich gemacht. Er hat eine Art moralische Verpflichtung erzeugt, darauf zu verzichten. Daher wird erwartet, dass die Ottawa-Konvention auch bei jenen Staaten Wirkung zeigt, die ihr nicht beigetreten sind. Wegen der befürchteten internationalen Empörung verhalten sie sich quasi wie Unterzeichnerstaaten und setzen keine derartigen Minen mehr ein. Wer heute Anti-Personenminen verwendet, muss sich rechtfertigen. Anwender gelten als die Bösen, sie werden stigmatisiert. Die USA hatten sich unter Präsident Trump von der Konvention gelöst, unter Präsident Biden wurde dies rückgängig gemacht.

Der Verhandlungsmarathon bis zur Einigung auf den Vertragstext war ein schwieriger, aber letztlich erfolgreicher Prozess. Allerdings konnten nicht alle Absichten verwirklicht werden:

~ viele wichtige Staaten sind nicht beigetreten;

~ die nichtstaatlichen bewaffneten Gruppen sind nicht beteiligt bzw. erfasst;

~ es gibt immer wieder Verstöße, z.B. bei kriegerischen Auseinandersetzungen nichtstaatlicher Militärs;

~ das Verbot gilt nur für Landminen, die gegen Personen gerichtet sind. Gegen Fahrzeuge gerichtete Minen sind weiterhin zulässig;

~ einige Staaten entwickeln neuartige Sprengminen, die nicht unter das Verbot der Konvention fallen; 

~ die Unterzeichnerstaaten müssen zwar jährlich über ihre Handhabung des Vertrages berichten, bei Verstößen gibt es jedoch keine Sanktionen oder Strafen.

Die Bemühungen und Verhandlungen um einen Antipersonenminen-Vertrag begannen schon Anfang der Neunziger Jahre. Anlass für die Konzentration auf Personenminen war die Erkenntnis, dass eine Einigung auf ein Verbot aller Minen aussichtslos sei. Daher wurde die „Internationale Kampagne für ein Verbot von Landminen“ (ICBL) gestartet, in der Staaten, UN-Gremien, andere internationale Organisationen und wichtige nichtstaatliche Vereinigungen zusammenarbeiteten, und zwar außerhalb der offiziellen UN-Strukturen. Insbesondere kleinere und mittlere Staaten unterstützten die Aushandlung der Konvention intensiv und sorgten dafür, dass sie nicht verwässert wurde.

Nach fünf Konferenzen in Ottawa (1996), Wien (1997), Bonn (1997). Brüssel (1997) und Oslo (1997) erfolgte im Dezember 1997 in Ottawa die Unterzeichnung des Vertragsentwurfs. Nachdem die Mindestzahl von 40 Staaten die Konvention ratifiziert hatte, trat sie am 1.3.1999 in Kraft. Deutschland wurde am 23.7.1998 Mitglied, es hatte schon zuvor seine Minen im Wert von 1,7 Mio. DM vernichtet.

Heute ist die ICBL das Überwachungsorgan der Ottawa-Konvention. Dazu dienen u.a. jährliche Konferenzen der Unterzeichnerstaaten. Als 1997 der Vertragstext zustande gekommen war, erhielt die ICBL den Friedensnobelpreis. Das Nobelpreiskomitee hob hervor, dass deren Erfolg einer neuen Form von Diplomatie seitens einer Zivilstruktur gegen den Widerstand von Militärgroßmächten zu verdanken sei.

Über Heiner Jüttner:

Der Autor war von 1972 bis 1982 FDP-Mitglied, 1980 Bundestagskandidat, 1981-1982 Vorsitzender in Aachen, 1982-1983 Landesvorsitzender der Liberalen Demokraten NRW, 1984 bis 1991 Ratsmitglied der Grünen in Aachen, 1991-98 Beigeordneter der Stadt Aachen. 1999–2007 kaufmännischer Geschäftsführer der Wassergewinnungs- und -aufbereitungsgesellschaft Nordeifel, die die Stadt Aachen und den Kreis Aachen mit Trinkwasser beliefert.