Vom Geschäft mit Reproduktionsmedizin profitieren Agenturen und Kliniken

In Deutschland hat die Ampelkoalition eine Kommission eingesetzt, die das Verbot des Schwangerschaftsabbruchs überprüfen soll. Die gleiche Kommission soll prüfen, ob und unter welchen Umständen Eizellabgabe und Leihmutterschaft erlaubt werden können. Ein Blick in die Nachbarländer zeigt, dass Leihmutterschaft und sogenannte Eizellspende längst ein globaler Markt sind, der riesige Profite abwirft. Das feministische Netzwerk fem*ini kritisiert: Hier werden globale Ungleichheiten ausgenutzt.

Anfang März ist es wieder so weit. In Berlin stellen vor allem internationale Reproduktionskliniken ihre Dienstleistungen vor. Besonders sogenannte Leihmutterschaft und Eizell“spende“ werden beworben. Fest im Blick haben zum Beispiel ReproART, eine US-amerikanisch-georgische Reproduktionsklinik, die Empfängerinnen reproduktionsmedizinischer Leistungen. Mit dabei ist auch Cryos international, ein Unternehmen mit Sitz in Dänemark, das verspricht, „ihre Eltern-Träume zu verwirklichen“. Cryos International ist die weltweit größte Samen- und Eizellenbank mit vielen nach Ethnie und Phänotyp sortierten „Spender*innen“. Das IMED Medical Center aus der Ukraine wirbt damit, dass es aufgrund der internationalen Zusammenarbeit mit Georgien, Zypern und der Tschechischen Republik „keine Wartezeiten“ mehr bei ihren Leihmutterschaftsprogrammen gebe. Der ukrainische Konkurrent VittoriaVita bietet auch die Betreuung der Schwangerschaft während der Leihmutterschaft und juristische Hilfe bei der Ausfertigung eines Reisepasses für das Kind an.

Das sind nur ein paar Beispiele für internationale Dienstleistungsangebote innerhalb Europas. Die Eizellgeberinnen und Leihmütter spielen bei diesen Selbstdarstellungen gar keine und im öffentlichen Diskurs kaum eine Rolle. Der Blick ist eindeutig auf die Empfängerinnen von Eizellen und Kindern gerichtet, die an ihrer Kinderlosigkeit leiden. So dargestellt nehmen sie nachvollziehbar Dritte in Anspruch, um den Wunsch zu realisieren – sofern sie es bezahlen können.

Dienstleistungen beruhen auf sozialer Ungleichheit

Die Perspektive auf die Geberin sieht anders aus. Die kritische Initiative fem*ini wendet sich in ihrer Stellungnahme zurecht gegen die Zulassung von Eizell“spende“ und „Leihgebärende“, die derzeit in Deutschland verboten sind. Beide Dienstleistungen beruhen „grundlegend auf sozialer Ungleichheit und auf der Ausbeutung Dritter, nämlich der Eizellgeberinnen und ‘Leihmütter’. Das Wohlstandsgefälle zwischen Nord- und Südeuropa, zwischen West- und Osteuropa sowie zwischen dem globalen Norden und Süden, aber auch innerhalb der Gesellschaften bildet die Basis für kommerzielle Eizell“spende“ und ‘Leihmutterschaft’.“

Vor allem um wenigstens sie sogenannte „altruistische“ Spende zu ermöglichen wird gerne die Vorstellung verbreitet, dass Frauen vor allem aus Solidarität mit kinderlosen Frauen schwanger werden oder Eizellen spenden. Das passt zum klassischen Rollenbild der „Liebesdienst“ leistenden Frau. Frauen selbst benennen das in Interviews als Motivation. Viele empirische Studien zeigen aber, dass es materielle Gegenleistungen sind, die Frauen einen Anreiz bieten, trotz vieler Risiken ihren Körper und Körpersubstanzen reproduktionstechnisch zu verwerten. Das Hergeben von Körpersubstanzen oder Vermieten der Gebärmutter ist komplexer als die schlichte Unterteilung in „altruistisch“ und kommerziell. Mit der Konstruktion einer „Aufwandsentschädigung“ wird die kommerzielle Praxis der Eizellabgabe erst ermöglicht. Sie gilt nicht als „Bezahlung“, sondern aus Kompensation für den Verdienstausfall oder eventuelle Risiken. Leihmutterschaft ist ohnehin eine Art bezahlter Dienstleistung, je nach Land zu unterschiedlichen Preisen.

„Altruistische Spende“ im globalen Markt

Spanien ist in Europa der Hotspot der Reproduktionskliniken. Dort gibt es 300 Reproduktionskliniken, die meisten in privater Trägerschaft. Gerne sind diese an den Hotspots der Tourismusindustrie. Etwa die Hälfte aller künstlichen Befruchtungen findet mit Eizelltransfer statt. Spanische Reproduktionskliniken werden auf dem globalen Markt zunehmend von internationalen Konzernen, z.B. Helios-Fresenius aus Deutschland, aufgekauft. Für die Eizellgeber*innen sind die Erlöse eher bescheiden, sie wird aktuell mit etwa 1000 Euro vergütet. Eine Eizellentnahme ist für die Geberin mit wochenlangen Hormongaben, streng kontrollierter Lebensführung und gesundheitlichen Risiken wie dem Überstimulationssyndrom verbunden. Die Eizellempfänger*innen zahlen etwa das Sechs- bis Zehnfache pro Transferzyklus an die Kliniken. Trotzdem soll es sich bei der Eizellabgabe der geltenden Rechtsprechung zufolge um eine altruistische „Spende“ handeln. Die wirklichen Profiteure sind die Agenturen und Reproduktionskliniken. Sie erweitern das Angebot an reproduktiven Dienstleistungen und die Kundschaft. Geworben wird mit zusätzlichen Möglichkeiten, die in anderen Ländern verboten sind. Auch versichern sie eine höhere Wahrscheinlichkeit, ein Kind ohne körperliche und mentale Einschränkungen zu bekommen. Die Eizellgeberin wird entsprechend auf genetische und gesundheitliche „Normalität“ untersucht. Der so entstandene Embryo wird ebenfalls getestet, wie Laura Perler in ihrer Untersuchung von Eizellenspende gezeigt hat.

Der Marktumfang von Kliniken bei Leihmutterschaft wird von der Unternehmensberaterfirma Global Market Insights (GMI) auf zukünftig 129 Milliarden geschätzt. Die Preise sind recht unterschiedlich für die Leihmütter und für die Bestelleltern. Beispiel Ukraine: Laut einer Veröffentlichung des Deutschen Bundestags von 2018 erhalten die austragenden Frauen von den 30.000-45.000 US-Dollar für eine Leihmutterschaft ungefähr ein Drittel. In Florida ist der Preis drei- bis viermal teurer. Ukrainische Reproduktionskliniken sind durch den Krieg keineswegs negativ betroffen. Die Geschäfte laufen unvermindert. Der Weltmarktanteil der Firmen und Agenturen von 25% ist nicht gefährdet. Selbst in Kriegszeiten nicht. Möglicherweise haben Frauen, die ihre Männer im Krieg haben, oder verloren haben, keine andere Arbeit finden, noch mehr Druck Leihmutter zu werden.

EU und Deutschland: Eizellabgabe und Leihmutterschaft regulieren?

In der Europäischen Union wird aktuell die „Richtlinie zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer“ von 2011 überarbeitet. Die Ausschüsse für Frauenrechte und für bürgerliche Freiheiten stimmten mit großer Mehrheit einem Entwurf zu, der Leihmutterschaft dem Tatbestand des Menschenhandels zuordnet. Nun wird der Entwurf weiter im Rat der Europäischen Union verhandelt. In der Bioethik-Konvention des Europarates heißt es: „Der menschliche Körper und Teile davon dürfen als solche nicht zur Erzielung eines finanziellen Gewinns verwendet werden.“ Mit einigen Abwandlungen findet sich dieser Wortlaut auch in anderen europäischen Dokumenten, etwa in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union von 2000. Das wird damit umgangen, indem die Zahlungen an die Frauen als Aufwandsentschädigungen bezeichnet werden. Die Kliniken und Agenturen sind es, die vom Eizellhandel profitieren, sei es durch die direkte Nutzung bei der künstlichen Befruchtung, sei es in Form von bezahlten Zugriffen von Forscher*innen auf die wachsenden Eizellbanken, sei es durch außereuropäische Zusammenarbeit mit Leihmutterschaftsanbietern.

Die FDP sowie einige Expert*innen, auch in der nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina, möchten die Eizellabgabe auch im Inland ermöglichen, und vielleicht die altruistisch genannte Leihmutterschaft. Diese wird kaum einen inländischen Markt schaffen, weil aus internationalen Erfahrungen bekannt ist, dass Frauen nicht ohne Bezahlung für Unbekannte ein Kind austragen. Nun wurde eine Kommission gebildet, um an der Öffentlichkeit vorbei Empfehlungen für die Regierung zu entwerfen. Allein die Besetzung der Kommissionsmitglieder lässt auf nichts Gutes hoffen. Feministinnen versuchen, eine kritische Öffentlichkeit herzustellen. Der Arbeitskreis Frauengesundheit hat auf einer Tagung im Herbst 2023 unter anderem auf medizinische Risiken für Empfängerinnen und Geberinnen von Eizellen und sowie Leihmütter aufmerksam gemacht. Terre de femmes und femini versuchen auch die internationalen Ausbeutungsverhältnisse und die wahren Profiteure, die Reproduktionskliniken und Agenturen, sichtbar zu machen. Frauen auch als leibliche Ressource nutzbar und zu einer profitablen Quelle internationaler Agenturen, Firmen und Finanzspekulationen zu machen, so soll und darf unsere Zukunft nicht aussehen.

Dieser Beitrag ist eine Übernahme aus ila 473 März 2024, hrsg. und mit freundlicher Genehmigung der Informationsstelle Lateinamerika in Bonn.

Über Erika Feyerabend / Informationsstelle Lateinamerika:

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