Borussia-Fans im Westen sind von Natur aus Realist*inn*en. In Mönchengladbach, seit Hennes Weisweiler nach Barcelona ging (1975); in Dortmund wurde es nur von Jürgen Klopp unterbrochen, der Verein und Fans in einen unrealistischen Traumzustand versetzte – er ging, als sie Tabellenletzter waren. Die Meisterschaften in 1995, 1996 und 2002 hätten den Laden um ein Haar komplett ruiniert. Das taten die fünf Titelgewinne der Gladbacher Borussia in den 70ern nicht. Im Gegenteil. Sie legten das Mythenfundament für das – materialistisch betrachtet – eigentliche Fussballwunder, das bis heute anhält.
Dass das Ruhrgebiet als grösster urbaner Ballungsraum Deutschlands ein Zentrum seines Profifussballs ist, ist normal. Aber haben Sie schon mal Mönchengladbach gesehen, ohne den am Stadtrand gelegenen Borussiapark zu besuchen? Der Bökelberg, bzw. das nach ihm benannte Stadion, ist dem Erdboden gleichgemacht worden, ein paar Gedenksteine erinnern an ihn. Dort kann mann teuer wohnen. Das Wunder ist, dass dort 50 Jahre später immer noch in der ersten Liga gespielt wird.
Es war ein Schalker, der dafür das Fundament goss. Schalke, das waren die, die den Bökelberg 1967 mit 0:11 verliessen (im Tor: Friedel Elting). Rolf Rüssmann wurde kurz danach ein Weltklasseverteidiger, schwamm im Bestechungsskandal 1971 mit, und überlebte sogar 1980 einen Wechsel zum Ruhrpottrivalen nach Dortmund (wie so viele vor und nach ihm: Libuda, Lehmann, Möller usw. usf.) 1990, als Roland Appel und ich in den NRW-Landtag einzogen, begann er als Manager in Mönchengladbach. In jener Zeit sah ich ihn bisweilen in der Landtagskantine konferieren: er lobbyiierte für das neue Stadion, den heutigen Borussiapark. Ist zwar kleiner als das Westfalenstadion, aber genauso oft voll.
Beschleunigt durch die Coronazeit und das weltfremde agieren des deutschen Profifussballs (der Herren) hat sich in der jüngeren Vergangenheit das Verhältnis zwischen den Machthabern und den Fans des Geschäfts massiv verschlechtert. In Deutschland setzt sich das auf sportlich-originelle Weise fort: in der Ersten Liga dominieren die Konzern- und Plastikvereine. Die mit solider Fanbasis spielen zweite Liga. Oder sogar, wie RW Essen oder der VFL Osnabrück, dritte mit Abstiegsgefahr in die vierte. Stiege RWE ab, und der Bonner SC als Tabellenführer der fünften Liga auf, hätten wir in der nächsten Saison ein Top-“Hochrisikospiel” im Sportpark Nord, dort, wo in den Fankurven Dornenbüsche wachsen. In der dritten darf übrigens auch der Osten mitspielen: Dresden und Cottbus führen, Aue und Rostock sind im oberen Mittelfeld.
Mein Plädoyer an die Borussias: Abstieg in die Zweite Liga – und empfehlenswert: FC St. Pauli mitnehmen. Gegenwärtige Überperformer wie Freiburg, Frankfurt oder Union Berlin überlegen es sich dann nach entsprechender Bedenkzeit sicher auch. Dort spielt die Musik des Fanfussballs mit Köln, Hamburg, Magdeburg, Hannover, Düsseldorf, Kaiserslautern, Nürnberg, Münster, Braunschweig und die fetteste Fanbasis mit Schalke. Mal ehrlich BVB: was soll eine Bundesliga ohne Ruhrpottderby? Und VFL Borussia: ohne die 6-Punkte-Basis durch die Spiele im Rheinlandderby gegen den FC?
Morgen ist ein guter Tag für die Spaltung der Deutschen Fussball-Liga (DFL). Sie verhandelt über die Aufteilung der TV-Gelder (Inland) für die nächsten vier Jahre. Wie lange wohl werden der Konzern aus dem süddeutschen Raum und die eingebetteten Pay-TV-Sender Geduld für die Spiele gegen SAP Hoffenheim, VW Wolfsburg, Bayer Leverkusen und Red Bull aufbringen, für die sich Fussballfans nie wirklich interessieren? Witzig auch, dass bei der in diesem Jahr von der Fifa aufgeblasenen “Club-WM” in den USA aus Deutschland der Tabellenneunte (oder ab heute Abend vielleicht -zehnte) “qualifiziert” sein soll. Worüber mann nicht alles hinwegsieht, wenn 50 Mio. Antrittsgeld locken ….
Wir Borussen wären in der zweiten Liga immer in der Spitze mit dabei, unser Stadion wäre immer voll. Und bei diesen Spielpaarungen kämen die Medienkonzerne unter der Türritze durchgekrochen.
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