Der BVB-Attentäter hatte keine terroristischen Motive, sondern “nur” Habgier? Da werden sich Marc Bartra und seine traumatisierten BVB-Arbeitskollegen aber freuen. Verloren sie doch gerade gegen einen in beiden Spielen klar besseren Gegner, der die Tabelle im Land des Vizeeuropameisters anführt, aber in einem Staat residiert, der ohne die Organisierte Kriminalität vermutlich gar nicht existieren würde, und dessen Geschäftsmodell in erster Linie aus Geldwäsche besteht. Geldwäsche ist auch das, was die DFL “Investoren” begierig anbieten will, wenn sie endlich die “50+1-Regel” zur Begrenzung von Investorenmacht zu Fall gebracht hat. Wie schon in Leverkusen, Wolfsburg, Ingolstadt, Hoffenheim, Leipzig ….. Vorbild: die englische Premier League.
Wollen wir das? Der BVB-Attentäter würde das auf jeden Fall bejahen.

Abseits dieser ökonomischen und zweifellos bedeutsamen Hintergründe ist festzuhalten: sportlich war das Ausscheiden aus den europäischen Wettbewerben in allen drei Fällen gerecht.

Der AS Monaco hat den BVB klar beherrscht. Die monegassische Mannschaft bestätigt die offensichtlich ausgezeichnete Talententwicklung im französischen Fußball. Seit der WM 1998 wissen wir, dass die ganz wesentlich darauf basiert, der diskriminierten migrantischen Jugend in Frankreich hier ein Entwicklungs- und Identifikationsangebot zu machen.
Der bekannteste Repräsentant dieser Strategie ist heute: Trainer von Real Madrid. Präsident dieses von mir nicht verehrten Vereins ist der Chef der spanischen Regierungskorruption, wie ihn Florian Haupt kürzlich in der taz treffend beschrieben hat. Dass so einer die deutsche (Hochtief) und europäische Bauwirtschaft beherrscht, scheint hierzulande und im EU-Brüssel niemanden wirklich zu beunruhigen, aber ich schweife ab. Dass Real Bayern sportlich schlagen konnte, hatte seine Ursache am Ende im Platzverweis gegen den Prototyp des bei uns bisweilen verherrlichten “Männerfussballs”, den Crashpiloten Vidal. Und in der Tatsache, dass die alten Helden in der Bayernmannschaft die wenigen Karrierewege für junge Talente verstopfen. Nur Lahm weiss, wann es Zeit ist, loszulassen, der mit Abstand cleverste aller Bayernstrategen.

Der BVB gegen Monaco war nicht mehr der, den wir aus den letzten Jahren kannten. Aggressivität und Bissigkeit im Zweikampf, hordenartige Hilfe für Mitspieler und überlegene Laufleistungen – alles ausgeknipst. Zuviele Nebengeräusche, zuviele Spielerberaterflausen im Kopf, zuviele Klauseln in den Verträgen, die immer neue Gedanken provozieren, die mit dem Ball nichts zu tun haben. Der BVB hat zahlreiche Supertalente im Team. Aber alle werden von Investorengeiern umkreist. Wie sollen sie sich da als Fußballer entwickeln? Der Weltmeister von 1954, Hans Schäfer, ja der lebt noch, leidet bis heute “wie ein Hund” unter dieser Entwicklung, und macht deswegen selbst Zeit seines Lebens “nichts mit Medien”!

S04 schliessslich, hat seinen zuletzt besten Fußball unter dem vom Hof gejagten von jeglichem Mediencharisma freien Trainer Jens Keller gespielt. Unter seiner Regie stellten die Blauen in allen Altersklassen die besten Jugendmannschaften. Und die trafen mit 17, 18 auch in der ersten Mannschaft ein. Dummerweise ist S04 aber immer noch hochverschuldet, ein Erbe des Absolutismus von Felix Magath. Die pleiteste Stadt Gelsenkirchen musste S04 von der Schüppe holen, mit Sponsorenaktivität und Darlehen ihrer Stadtwerke. Gazprom wurde ins Haus geholt, Präsident und Großschlachter Tönnies hoffte angesichts nachlassenden Fleischfrasses hierzulande auf fette Russlandgeschäfte – dann kamen die EU-Sanktionen dazwischen. Das größte aller Talente, Leroy Sane musste nach Manchester verkauft werden. Wenn, was durchaus realistisch ist, keine Europaqualifikation in der Bundesliga gelingt, wird es finanziell wieder sehr eng. Die unter Keller gewachsenen Talente können auch Zeitungen und Bilanzen lesen. Da wundert es nicht, dass sie sich kaum weiterentwickeln. Gestern: scheinbar schon gewonnen + in Überzahl, nach 110 Minuten hätte man den Gegner “nur” noch ermüden müssen, und schlief dann selber ein. So sieht die Mannschaft diese Saison auch aus und die Fans sind weder blind noch doof. Das ist ein Drahtseilakt für Heidel und Weinzierl.

Diese Probleme sehen DFL und DFB anscheinend nicht. Da gehts um Märkteerschliessen, um Tourneen in Amerika und Ostasien und Deals mit Investoren und TV-Magnaten. Die Champions League der Uefa könnte u.U. komplett an den Russisch-Amerikaner Blavatnik und sein Internet-Pay-TV Dazn gehen; der kann es mit jedem, mit Putin, Trump, Obama hatte er zu Amtszeiten noch bespendet. Er will auf dem Fußball-TV-Markt den greisen Reaktionär Rupert Murdoch beerben und hat dafür ein gutes Blatt, nämlich volle Konten mit zu waschendem Geld. Das macht die Branche so geil, dass die Nationalmannschaft jetzt herabgestuft wird. Ihre Termine werden nur noch als lästig empfunden, ein weiterer Integrationsfaktor weniger. Gleichzeitig sollen im globalen Machtkampf der ebenfalls expansionsgeilen Fifa Grenzen gesetzt werden.

Weil mir das alles immer widerlicher wird, kam ich auf den illusionären Gedanken, dass die vierte, die Regional-Liga doch auch ganz schön ist. Vielleicht habe ich zufällig die besten Saisonspiele gesehen. Aber nach dem 2:2 des BSC in der Hinrunde gegen BVB II, und nach dem 2:5 in der Rückrunde gegen RW Oberhausen, hatte ich so guten Fußball gesehen, mit einer zusätzlich absolut stressfreien An- und Abreise und so guter Bratwurst, dass ich auf den Gedanken kam: mehr Fußball brauch ich doch gar nicht.
Leider ist es genau diese Regionalliga, die der DFB gerade ökonomisch wegsterben lässt.

Update 27.4.: Hier noch eine aktuelle Würdigung des SD Eibar von Rouven Ahl in der Jungen Welt.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
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