von Bettina Gaus
Wenn Vorgesetzte jede Verantwortung für Missstände bei Untergebenen abladen, ist das unanständig. Ursula von der Leyens Verhalten wirkt bizarr.
Drama, eilt, eilt: Die Verteidigungsministerin hat eine US-Reise abgesagt. Absurd. Gerade erst hat Ursula von der Leyen selbst auf strukturelle Probleme bei den Streitkräften hingewiesen. Nicht etwa auf eine Situation, die – wie in einem schlechten Western – von der Kavallerie gelöst werden könnte. Die Absage einer Reise ist Hollywood. Mit Politik hat das nichts zu tun.
In der Debatte wird es nun um zwei Fragen gehen: nämlich um die Person der Verteidigungsministerin und um den Zustand der Armee. Die erste Frage ist leicht zu behandeln. Wenn Vorgesetzte jede Verantwortung für Missstände bei Untergebenen abzuladen versuchen, dann ist das erstens immer unanständig und zweitens selten klug. Im Hinblick auf die scharfe Kritik der Verteidigungsministerin an der Bundeswehr – „Haltungsproblem“ und „Führungsschwäche“ – gilt das in besonderem Maße.
Der Gestus der Widerstandskämpferin gegen die eigene Behörde, den Ursula von der Leyen einnimmt, wirkt bizarr, sogar unfreiwillig komisch. Die Ministerin ist immerhin nicht erst seit gestern im Amt.
Wesentlich wichtiger und komplizierter aber ist die politische Dimension der Angelegenheit. Stichwort: Innere Führung, also das Konzept vom „Staatsbürger in Uniform“. Es wurde bei der Gründung der Bundeswehr entwickelt, weil verhindert werden sollte, dass der deutsche Militarismus je wieder erstarken kann. Innere Führung bedeutet, unter anderem: Es gibt Grenzen für das Prinzip von Befehl und Gehorsam. Menschenwürde und Demokratie spielen auch innerhalb der Kommandostrukturen der Streitkräfte eine wesentliche Rolle.
Seit dem Umbau der Bundeswehr in eine Interventionsarmee ist von diesem Prinzip selten die Rede. Selbst im Parlament gibt es nur noch wenige Stimmen, die fordern, Militäroperationen müssten auf ihre Vereinbarkeit mit der Demokratie hin überprüft werden.
Das rächt sich jetzt. Die akuten Probleme der Bundeswehr haben nämlich wenig mit dem Erstarken des Rechtspopulismus zu tun – Rechte waren und sind immer militäraffin, nicht nur in Deutschland – und auch nichts mit der Abschaffung der Wehrpflicht. Sondern mit der grundsätzlichen Frage, wie interne demokratische Strukturen auch bei den Streitkräften weiterhin gelten können. Für eine Antwort darauf wird die Absage einer Reise nicht genügen.
Dieser Beitrag ist eine Übernahme von taz.de, mit freundlicher Genehmigung von Autorin und Verlag.
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