Eindrücke zum Wahlkampf 2017
von Gert Samuel

Einen Monat vor dem Termin der Wahlen zum Bundestag beklagen manche den fehlenden Wahlkampf. Sollte es vielleicht so sein, dass sich dieser Wahlkampf gerade dadurch auszeichnet, quasi als Bestandteil von Unterhaltung mitzulaufen? Und doch ist es anders – zumindest teilweise.

Da ist zum Beispiel die Vorsteherin im politischen Berliner Olymp. Wer hätte vermutet, dass sie, die bisher nie eine Spiele-Messe („gamescom“) besucht hat, es gerade in diesem zu Ende gehenden August erstmalig unternehmen würde? Die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Industrie und die damit verbundenen Arbeitsplätze wären in jedem Jahr zuvor auch Anlass gewesen, dort zu erscheinen und eine schlaue Rede zu halten. Es geht um Wählerstimmen eines bisher wenig gehätschelten Klientels – also will sie auch da hin. Es geht allerdings um mehr. Ist der Bundeskanzlerin der Satz einer schlauen Medienexpertin eingefallen, den Valerie Weber im November 2013 vor ihrem Antritt als WDR-Hörfunk-Chefin in einem Interview formuliert hatte: „Es ist enorm wichtig, dass wir die Menschen zum Spielen bringen, denn das erlaubt ihnen das Abtauchen in eine Scheinwelt, um den Problemen des Alltags zu entfliehen.“ (NRZ, 19.11.2013) Diese Leitlinie wird seit April 2014 im WDR-Hörfunk stur umgesetzt, macht den WDR zum „Dudel-Sender“ und sorgt dafür, dass sich nicht wenige ehemalige Stammhörer*innen abgewendet haben und abschalten.

Ein zweites Beispiel: Anfang August wurde mit medialem Brimborium der sogenannte Dieselgipfel in Berlin aufgeführt. Die schlaue Kanzlerin war damals nicht zugegen. Das Ergebnis verkündeten manche Medien, wie z.B. die NRZ, schon vorab. Dazu gehörte wohl auch nicht viel politische Weitsicht. Ziele jenes Gipfels waren, den aufkommenden Unmut der Dieselfahrer*innen zu beschwichtigen und das Thema so weit wie möglich aus dem Wahlkampf herauszuhalten. Beides dürfte nun wohl scheitern: der Deutschen Umwelthilfe und dem Umweltbundesamt sei es gedankt. Überraschen kann da die Reaktion des ehemaligen Bundesverkehrsministers und jetzigen Vorsitzenden des Wirtschaftsausschusses im Deutschen Bundestag, Peter Ramsauer, nicht. Im Interview mit dem Deutschlandfunk am 24. August wies er den Dieselmotoren eine noch jahrzehntelange Zukunft zu. Zudem zeigt dieses Interview, dass Trump nicht nur eine US-amerikanische politische Realität ist. Ramsauer schiebt die Untersuchung des Umweltbundesamtes zu den Maßnahmen des Dieselgipfels auf die Ebene einer Fake-News, wenn er vom „sogenannten Amt“ spricht und formuliert: „Das Umweltbundesamt ist zwar ein Amt, aber es rechnet oft Dinge aus und befasst sich mit Dingen, die es nichts angeht, und rechnet Dinge aus, die oft weit von der Wahrheit entfernt sind.“ Das ist mehr als starker politischer Tobak, das ist noch eine Schippe gemeinsame Sache drauf auf die allseits bekannte Arroganz der Autobosse. Der Diesel-Skandal allerdings wird oder bleibt Wahlkampfthema.

Wenn es zudem zutrifft, dass fast 50 Prozent der Wähler*innen zur Zeit noch nicht wissen, was sie am 24. September wählen werden, wird deutlich, dass beinahe jedes Thema geeignet ist und bleiben wird, wahlpolitisch bedeutsam zu werden beim Ringen um die Stimmen der Wähler*innen.

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