Nachdem das Duett der Kanzlerin und des Kandidaten beiden Parteien den Umfragen zufolge geschadet, und wie es Lutz Hachmeister richtig bewertet hatte, der AfD und der Linkspartei, sowie der FDP genützt hat, traten gestern die Herren Özdemir und Schäuble im baden-württembergischen Regionalprogramm von Anne Will an.
Ich will so ehrlich sein: ich habe die Sendung nicht erlitten, und stattdessen lieber miterlebt wie der “Fußballgott” Tom Theunissen den Kandidaten Arnd Zeigler anlässlich seines 10-jährigen Sendungsjubiläums zu seinem “Stellvertreter auf Erden” ernannte. Das war auf jeden Fall amüsanter und liess einen besser statt schlechter gelaunt zubettgehen.
Heute nun bekam ich Zeugenaussagen über das politische Ereignis, die vermuten lassen, dass die FAZ-Würdigung des von mir hochgeschätzten Hans Hütt allzu freundlich ausgefallen ist. Die Bewertung “Paartherapie” legt eine gleichberechtigte Ebene nahe; Grüner und CDUler stritten darum, wer besser für die Wirtschaft ist. Man darf vermuten, dass Schäuble sich davon hat traumatisieren lassen, dass die Kretschmann-Grünen da in seiner Heimat der CDU den Rang abgelaufen haben. Özdemir zelebrierte aber erneut den Irrtum der Berliner Blase, dass der Unterschied zwischen Schwarz-Grün und “Jamaika” (also mit FDP) relevante Teile der Grünen mobilisieren könne.
Im Gegensatz zu Hütt sahen andere Betrachter eher ein Therapiegespräch zwischen Vater und Sohn. Selbst die Würdigung von Pascal Beucker in der taz sei noch schmeichelhaft – es sei “noch schlimmer” gewesen.
Auch die Deuterbranche hat Probleme: Stefan Reinecke bespricht zwei Bücher, von Heinrich A. Winkler und Bernd Ulrich, über die Rollensuche der Grossmacht Deutschland. Bei Ulrich soll der Fußball da auch eine therapeutische Rolle bekommen haben.
Zum Thema politische Familientherapie passte heute auch das DLF-Kalenderblatt von Extradienst-Gastautor Michael Kleff über Jessica Mitford.
Armer Martin Böttger, er hat die Diskussion zwischen Schäuble und Özdemir bei Anne Will ‘nicht erlitten’.
Die war aber sehr aufschlussreich und für mich amüsant.
Schäuble erklärte offen, schon 2013 habe die CDU (und auch die CSU) eine Koalition mit den Grünen schließen wollen – die Intervention von Trittin habe das nach den Soniderungsgesprächen aber damals verhindert.
Der ‘Schlagabtausch’ in dieser Sendung etwa so: ein inzwischen den Grünen milde gestimmter elder statesman Schäuble parliert freundlich mit dem ‘jüngeren Schwiegersohn’ Özdemir über Kulturwandel, Autoindustrie, Migrationspolitik etc. pp. Und erklärt ihm, dass die CDU da gelernt hätte, man ‘Reformen’ aber nur mit ‘der Wirtschaft’ machen könne. Özdemir sieht das im Kern genauso.
Schon seit Mitte der 1990er Jahre steht ja in jedem grünen Wahlpgrogramm, dass Deutschland bei ‘Ökotechnologien’ (Elektro-Auto etc.,) ‘die Nase vorn’ haben müsse, um im globalen Wettbewerb gegen den Chinesen und andere zu bestehen, den ‘Standort Deutschland’ zu sichern und die Rolle als Eportweltmeister zu behaupten. Darauf ist das Thema Ökologie bei den Grünen schon lange zusammen geschnurrt. Einigkeit auch beim Thema ‘finanzielle Nachhaltigkeit’ (Schäuble’s Haushaltspolitik nach dem Muster der ‘Schwäbischen Hausfrau’).
Eigentlich war das Ganze eine sehr freundschaftliche Diskussion zwischen im Prinzip (was die Ökonomie etc. angeht) Gleichgesinnten. Schäuble’s Gestus: ist ja alles richtig, junger Freund, wir gehen da im Wesentlichen mit, aber mit Augenmaß, weil wir müssen ja noch andere mitnehmen. Özdemir hatte dem nichts entgegen zu setzen – warum auch, weil er die Grundorientierung ja teilt.
Wer die Grünen auch nur als kleineres Übel aus einem irgendwie linken oder alternativen Anspruch heraus wählen will, wird sich später wohl ‘schwarz’ ärgern müssen. Anne Will’s Thema (“Wie grün ist schwarz?”) ist anders herum wahr, wie die Diskussion sehr deutlich zeigte (und dies nicht erst seit Wilfried Kretschmann als Ministerpräsident von BaWÜ regiert).
Lieber Klaus, “arm” empfand ich mich ja gerade nicht. Und wenns für Dich “amüsant” war, hatten wir ja beide was von dem TV-Abend 😉