von Andreas Zumach
Mit Verweis auf die „gewachsene Bedrohung“ durch Russland will die Nato ihre Strukturen und Kapazitäten auch in Westeuropa ausbauen.
Die Nato dreht das Rad weiter zurück in Richtung Kalter Krieg. In Reaktion auf Russlands Annexion der Krim im März 2014 hatte die Allianz bereits ihre Militärpräsenz in den osteuropäischen Mitgliedsstaaten verstärkt. Jetzt sollen unter Verweis auf eine angeblich „gewachsene Bedrohung“ durch Russland auch die nach 1990 reduzierten Kommandostrukturen und logistischen Kapazitäten der Nato in Westeuropa und im Atlantik wieder aufgestockt werden. Zudem werden die Fähigkeiten zur schnellen Verlegung von Streitkräften erhöht.
Über eine entsprechende Beschlussvorlage sollten die VerteidigungsministerInnen der 28 Staaten noch gestern Abend auf ihrem zweitägigen Herbsttreffen in Brüssel entscheiden. Die 28 Botschafter in der Nato-Zentrale hatten sie bereits abgesegnet.
Am Donnerstag wollen die Minister eine deutliche Erhöhung der Nato-Truppenkontingente in Afghanistan von derzeit 12.000 auf 15.800 Soldaten beschließen für den bislang erfolglosen Kampf gegen die wiedererstarkten Taliban sowie gegen den „Islamischen Staat“, der immer häufiger Anschläge am Hindukusch verübt.
Die von den Brüsseler Nato-Stäben unter Leitung von Generalsekretär Jens Stoltenberg erarbeitete Beschlussvorlage für die Minister geht von einer zunehmenden Bedrohung der Allianz durch Russland aus. Für den Eventualfall eines russischen Angriffs sei die Nato selbst nach der seit 2014 bereits erfolgten Verlegung von 5.000 Nato-Soldaten nach Polen und in die drei baltischen Staaten sowie der Aufstellung einer schnellen Eingreiftruppe zur Verstärkung dieser Truppenverbände im Krisenfall nicht gewappnet.
Der kürzlich von den Nato-Militärs erstellte interne „Fortschrittsbericht über das verstärkte Abschreckungs- und Verteidigungsdispositiv der Allianz“ zweifelt offen an, dass die schnelle Eingreiftruppe der Allianz derzeit wirklich zügig und effizient reagieren könnte.
Straßen und Brücken verstärken
Jetzt sollen neue Planungs- und Führungszentren für Truppenverlegungen innerhalb Europas sowie für Marineeinsätze im Atlantik aufgebaut werden. Zudem müssten Straßen, Brücken und Schienenstränge so verstärkt werden, dass sie auch von den schwersten Fahrzeugen der Nato und für den Transport von Panzern durch Europa genutzt werden können.
Wo die neuen Hauptquartiere angesiedelt werden und wie viel neues Personal sie bekommen, ist nach Angaben von Generalsekretär Stoltenberg noch offen. Darüber will die Nato im Februar 2018 entscheiden.
Für das neue Atlantik-Hauptquartier werden Portugal, Großbritannien und die USA als aussichtsreiche Standorte gehandelt. Es soll Einsätze steuern können, die im Kriegsfall für einen freien Seeweg zwischen den USA und Europa sorgen können.
Neues Logistik-HeadquARTEr
Stoltenberg deutete an, dass Deutschland wegen seiner „zentralen Lage in Europa“ für das neue Logistik-Hauptquartier durchaus infrage kommt. Von den 33 Hauptquartieren, die es in Zeiten des Kalten Krieges gab, sind laut Nato heute nur noch 7 übrig. Die Personalstärke sank von 22 000 auf 6800 Mitarbeiter.
Über die finanziellen Kosten für die geplanten Maßnahmen zur Aufstockung und Wiedererlangung früherer militärischer Kapazitäten und Fähigkeiten gibt es bei bisher keine offiziellen Angaben. Inoffiziell heißt es, dass die 2014 auf einem Nato-Gipfel vereinbARTE Erhöhung der Militärausgaben in allen 28 Mitgliedsstaaten auf mindestens 2 Prozent des Bruttosozialproduktes bis spätestens 2024 nicht ausreichen werde zur Finanzierung dieser Maßnahmen.
Keine Angaben gibt es bislang auch, aus welchen Mitgliedsländern die 3.800 Soldaten kommen sollen, die zur Verstärkung der Nato-Truppen in Afghanistan geschickt werden sollen.
Dieser Beitrag ist eine Übernahme von taz.de, mit freundlicher Genehmigung von Autor und Verlag.
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