von Rainer Bohnet
Seit geraumer Zeit fordere ich eine Verkehrs- und Energiewende. Beide hängen stark zusammen, denn der Umstieg vom Verbrennungsmotor auf Elektroantrieb umfasst beide Bereiche. Wie komplex und umstritten insbesondere die Energiewende ist, kann man am Beispiel der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) sehen. Sie titelt in der Januar-Ausgabe ihres Mitgliedermagazins “Kompakt”: “Frostiges Klima – Warum die Politik die Beschäftigten aus Energiewirtschaft und Industrie gegen sich aufbringt.”
Selbstverständlich ist die Energiewende teuer. Auch ein höherer Strompreis ist möglich. Wobei ich anmerken möchte, dass der globale Ressourcenverbrauch viel zu billig ist. So wird umweltschädliches Verhalten immer noch belohnt, während man für umweltfreundliches Verhalten in der Regel nicht belohnt wird. Um die Akzeptanz einer Transformation einer ganzen Branche zu erreichen, was für die IG BCE und deren Mitglieder äußerst wichtig ist, muss der Wandel sozialverträglich organisiert werden. Niemandem darf der Boden unter den Füßen weggezogen werden. Wie das geht, zeigt das Ende des Steinkohlebergbaus Ende 2018. Dort ist es der IG BCE vorbildhaft gelungen, die Kumpel sozial abzusichern. Die Instrumente sind eine frühzeitige Verrentung und eine frühzeitige Umschulung auf andere Jobs. Bei einem Besuch in der Grube Prosper-Haniel in Bottrop, die im Dezember 2018 schließen wird, habe ich im Gespräch mit den Kumpeln erlebt, wie gelassen und zufrieden sie dem endgültigen Aus ihrer Arbeitsplätze entgegensehen, obwohl sie auch Tränen vergießen.
Wenn die IG BCE jetzt behauptet, der Ausstieg aus der Braunkohle sei weder sozialverträglich noch finanziell verantwortbar darzustellen, greift diese Argumentation eindeutig zu kurz. Die Rahmenbedingungen des Ausstiegs sind weitgehend bekannt. Was fehlt, ist ein Konzept sowie die politische Umsetzung. Dies ist besonders zu kritisieren, weil die Braunkohle einer der größen Klimakiller ist und der Klimawandel dringlich abgeschwächt werden muss.
Aber zurück zur Sozialverträglichkeit. Diese kann und muss im Kontext mit struktur- und verkehrspolitischen Maßnahmen gestaltet werden. So könnten z.B. im rheinischen Braunkohlerevier nach dem Ende des Tagebaus neue Städte entstehen, die die bestehenden Großstädte Köln und Bonn und deren dicht besiedeltes Umland entlasten und nach den bautechnischen und energetischen Erkenntnissen des 21. Jahrhunderts gebaut würden. Geplant werden muss dieser epochale Wandel im engen Dialog mit der Bevölkerung, den Beschäftigten, den Umwelt- und Verkehrsverbänden sowie mit den Gewerkschaften und den Betriebsräten.
Aufgreifen und organisieren muss dies die Politik. Leider stelle ich immer noch Funkstille fest. Denn die Transformation der Energiebranche sucht man im Sondierungspapier von CDU/CSU und SPD vergeblich. Das ist ein grober Fehler. Denn das Ende der Braunkohle ist unumkehrbar. Fehlen allerdings sozialverträgliche Rahmenbedingungen oder ignoriert die Politik sogar dieses Themenfeld, entsteht ein “frostiges Klima” mit Protesten und Unverständnis. Insofern haben die Gewerkschaften die Aufgabe, dies kraftvoll gegenüber den politischen Entscheidungsträgern anzumahnen.
Es greift allerdings wiederum zu kurz, wenn die IG BCE schlicht behauptet, der Energiewandel sei weder finanzierbar, weder sozialverträglich zu gestalten noch klimapolitisch zwingend notwendig. Sie solidarisiert sich mit den Großkonzernen der Energieindustrie und verurteilt jedwede industriepolitische Veränderung. Natürlich wäre eine Deindustralisierung Deutschlands fatal und falsch. Es gibt bereits die Branche der Erneuerbaren Energien mit über 300.000 neuen Arbeitsplätzen, innovativen Industrie- und Dienstleistungsbereichen sowie einer breiten Forschungslandschaft. Kommen hier noch verkehrs- und strukturpolitische Entwicklungen hinzu, muss kein Kumpel und kein Baggerfahrer im Braunkohlerevier Angst um seine Zukunft haben.
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