von Rainer Bohnet
Einmal arm, immer arm. Ein Schlagwort, vielleicht populistisch, aber für unzählige Biografien leider zutreffend. Allein in Bonn gelten 20,6 Prozent aller Kinder als arm. Und da deren Armut systemisch ist, sprechen Fachleute auch von Familienarmut, weil die Eltern armer Kinder gleichfalls arm sind. Es ist ein undurchdringliches Dickicht, das seine Ursachen in Arbeitslosigkeit, in prekären Arbeitsverhältnissen und bei Alleinerziehenden hat. Zu unterscheiden ist dabei die wirtschaftliche von der kulturellen Armut. Letztere findet man auch in der Mittel- und Oberschicht. Die Stadt Bonn spricht in einer Stellungnahme an den Ausschuss für Kinder, Jugend und Familie vom 18.09.2017 von einem Phänomen einer “reichen” Gesellschaft. Diese Analyse scheint richtig zu sein, macht mich aber wütend. Denn am Geld und an der finanziellen Leistungsfähigkeit des Staates darf eine nachhaltige und wirksame Lösung des Problems nicht scheitern.
In Bonn gibt es seit über 10 Jahren den Runden Tisch gegen Kinder- und Familienarmut, zu dem sich in regelmäßigen Abständen engagierte Menschen aus der gesamten Stadtgesellschaft treffen und über politische Aktionen beraten sowie Gespräche mit Fachleuten und Politiker*innen aller parlamentarischen Ebenen führen.
Ein Grund dafür, dass Kinderarmut in einem der reichsten Länder und in einer der wohlhabensten Städte Deutschlands nicht ausrottbar ist, liegt m.E. an der Ignoranz von Politik und Gesellschaft. Einzelne Sozialpolitiker*innen in allen Parteien sind von diesem Vorwurf auszunehmen. Wenn aber z.B. eine Kindergrundsicherung von mindestens 500,00 EUR pro Monat gefordert wird, sich lokale Politiker*innen sich dazu mehr oder weniger klar positionieren, erwartet man eigentlich, dass diese Forderung in Koalitionsverhandlungen oder Sondierungsrunden thematisiert wird. Leider Fehlanzeige. Stattdessen werden sozialpolitische Projekte von engagierten Bürger*innen, die sich ehrenamtlich um Integration, Toleranz, Partizipation und Demokratie bei Kindern kümmern, oftmals belächelt.
Ich werde den Eindruck einfach nicht los, dass alle Kommunen durchaus bemüht sind, die Geißel der Kinderarmut zu minimieren, in vielen Fällen aber über äußerst schwache und unwirksame Hebel verfügen und deshalb das Problem eher verwalten als wirkungsvoll zu bekämpfen. Man drängt das arme Drittel unserer Gesellschaft in Ghettos in spezifischen benachteiligten Stadtteilen ab, damit das Elend mit den wohlhabenden Teilen der Stadtgesellschaft niemals in direkten Kontakt kommt. Die Fehler der letzten Jahrzehnte rächen sich jetzt gnadenlos und kulminieren u.U. in Gewalt und Kriminalität. Dieses labile soziologische Umfeld nutzen immer häufiger radikale Salafisten für ihre kruden Anwerbungsversuche.
Wir dürfen die Augen nicht verschließen. Denn die Kinderarmut droht sich im unteren Drittel der Gesellschaft dauerhaft festzusetzen. Je fester diese Strukturen sind, umso schwerer wird es, sie aufzubrechen. Und irgendwann droht das Problem zu eskalieren, was z.B. in den Vorstädten der französischen Hauptstadt Paris bereits passsiert ist. Die Schäden für unser Gemeinwesen wären irreparabel.
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