Mit Vehemenz hat sich Bettina Gaus in ihrem Beitrag zum Bremer Verwaltungsgerichtsurteil über die Kostenbeteiligung von Fußballvereinen an den Polizeieinsätzen für die Verteidigung der “öffentlichen Sicherheit” als ausschließlich öffentlicher Aufgabe ausgesprochen. Ihre Befürchtung, dass dieses Urteil einen Einstieg in die Privatisierung der Sicherheit sein könnte, muss klar widersprochen werden. Zum einen ist diese Teilprivatisierung der Sicherheit seit Jahrzehnten längst im Gange, zum Teil mit gefährlichen Auswüchsen. So werden viele Ministerien und Botschaften in Berlin inzwischen nicht mehr von der Bundespolizei, sondern von privaten Wachdiensten “beschützt”. Die sind nicht nur billiger, sondern i.d.R. auch schlecht ausgebildet, kaum rechtskundig und ein Beispiel für die schleichende Aushöhlung des demokratisch-rechtstaatlichen Gewaltmonopols.
Die gefährlichsten Blüten treibt dieses Gewerbe auf Flughäfen, wo entgegen dem massiven Widerstand von Gewerkschaft der Polizei und Beamtenbund seit Jahren Sicherheitspersonal eingesetzt wird, das diesen Namen nicht verdient. Dass es bei dieser Praxis noch nicht zu Anschlägen gekommen ist, zeigt nur, dass die seit Jahren geschürte, allgemeine Terrorismushysterie keine wirkliche Grundlage hat, denn immer wieder fällt dieses Personal bei Tests durch, können Profi-Tester gefährliche Gegenstände an ihnen vorbei mogeln. Aber auch als Betreuungs- und Wachpersonal mit ausgeprägten rassistischen Neigungen in Flüchtlingsunterkünften – wie 2015 in Nordrhein-Westfalen – treten immer mehr private Unsicherheitsdienstleister an Stellen auf, wo es um Grundrechtseingriffe gehen kann. Dieser Tendenz zu begegnen, bedarf es eines rechtstaatlichen Grundverständnisses, das den Parteien CSU, CDU und SPD und besonders der GroKo längst verloren gegangen ist. Dieses irregeleitete Verständnis hat zwar – und nur insofern ist das Beispiel zutreffend – auch Pate bei der unsäglichen Netzgesetzgebung durch Heiko Maas gespielt, die den amerikanischen Konzernen Facebook und Google die Verantwortung über die Auslegung von Zensur im Internet gegeben hat, anstatt sie zur Herausgabe der Identitäten von z.B. Volksverhetzern zu zwingen und damit die Möglichkeit der rechtstaatlichen Strafverfolgung zu eröffnen. Aber genau aus dem Grund hinkt dieser Vergleich.
Denn das Urteil der Bremer Verwaltungsrichter hemmt ja nicht die Strafverfolgung von Hooligans oder deren Identifikation, sondern zieht bei kommerziellen Veranstaltungen, die allein der Profitmaximierung der Vereine dienen, dieselben nach dem Verursacherprinzip zur Rechenschaft für die Begleiterscheinungen ihrer Veranstaltungen. Das ist der kardinale Unterschied zu Demonstrationen: Da geht es um den Schutz und die Ausübung des Grundrechts auf Demonstrationsfreiheit, um freie Meinungsäußerung und damit eine eine existenzielle Grundvoraussetzung für unsere Demokratie. Bei Demonstrationen geht es nicht nur um “öffentliche Sicherheit” als abstraktes Schutzgut, sondern um das individuelle Schutzgut Grundrecht jedes und jeder einzelnen Demonstrationsteilnehmer*in. Es gibt eben kein Grundrecht auf Fußball und schon gar nicht ein solches auf Hooliganismus. Dass hier oftmals nicht klar unterschieden wird, ist die Folge einer jehrzehntelangen diffusen und rechtstaatliche Prinzipien verschüttenden und wurschtigen “Sicherheitsdiskussion”, wie sie vor allem die CSU, aber inzwischen genauso SPD und CDU führen – bis hin zur falschen Behauptung, es gäbe ein “Grundrecht auf Sicherheit”, das dann immer wieder herhalten muss, wenn – wie im Koalitionsvertrag der GroKo wieder vorgesehen – die Befugnisse von Polizei und Verfassungsschutz immer weiter ausgedehnt und Bürgerrechte weiter eingeschränkt oder gar geschleift werden.
Außerdem tritt die Polizei bei vielen Fußballspielen nicht nur im öffentlichen Raum, sondern auch in den Stadien in Aktion, trennt Fanblocks voneinander oder greift ein, wenn Situationen dem Sicherheitspersonal der Vereine aus der Hand gleiten. Die Polizei dort einzusetzen ist richtig, weil sie kompetent ist, in schwierigen Lagen angemessen und verhältnismäßig zu handeln. Ebenso angemessen und folgerichtig ist es, für solche Einsätze, die der reibungslosen und sicheren Durchführung privater, kommerzieller Großveranstaltungen und ihrer Umgebung dienen, deren Veranstalter bzw. deren Lobbyverband, die DFL in die Verantwortung zu nehmen, denn schließlich sind sie die Verursacher der unerwünschten Begleiterscheinungen. Hooliganismus entsteht eben rund um Fußballspiele und nicht bei Schach- oder Skatmeisterschaften. Jahrelang haben sich Bundesligavereine nicht darum gekümmert, Fanprojekte finanziell ausgetrocknet oder gar nicht erst finanziert.
Denn dass es sich beim Profi-Fußball eben nicht um öffentliche Ereignisse handelt, wie z.B. den Kölner Rosenmontagszug, der zwar keine Demonstration ist, der aber als kulturelles Brauchtum ebenfalls von der Polizei geschützt und von der Stadtreinigung begleitet wird, darauf legen die selben Veranstalter spätestens dann immer ganz besonderen Wert, wenn es um die Übertragungsrechte der Spiele geht. Dann ist plötzlich wieder alles privatisiert und niemand soll, ohne massiv zur Kasse gebeten zu werden, partizipieren. Noch schlimmer: Selbst den öffentlich-rechtlichen Medien werden Milliardenbeträge für die Übertragung von Bild und Ton abgeknöpft. Dieselben DFL-Funktionäre, die an dieser Stelle darauf pochen, dass alles, was im Stadion passiert, quasi ihre Privatsache und damit kommerziell zu vermarkten sei, lamentierten nun über ein Urteil, das ihre Rechtsauffassung, was privat und was öffentlich sei, nur konsequent anwendet und zuende denkt. Dass dieselben Funktionäre sich dabei über einen Betrag von 2-3 Mio. Euro mokieren, die für einen einzigen Spieler den zehn- zwanzig- oder gar dreißigfachen Betrag auszugeben bereit sind, ist eine Dreistigkeit ohnegleichen. Zumindest Reihard Rauball, der Ober-DFL-Pate muss dabei wissen, was er tut, denn er ist Jurist, war sogar mal NRW-Justizminister – allerdings nur sieben Tage lang, bis ihn seine Fußballgeschäfte öffentlich einholten und er zurücktreten musste.
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