Deutschland, Frankreich und Grossbritannien müssen das Iran-Atomabkommen ohne die USA retten

Ich kannte den Begriff “EU/E3” noch nicht. Und diese Art der Intervention ist für einen unabhängigen wissenschaftlichen Berater von Bundesregierung, Parlament und Öffentlichkeit nicht ohne Risiko. Volker Perthes publizierte gestern auf der Homepage der Stiftung für Wissenschaft und Politik (SWP), der er als Direktor vorsteht, eine klare Haltung zum Vorgehen um das Atomabkommen mit dem Iran. Exakt am Tag der Washington-Premiere von Bundesaussenminister Heiko Maas (SPD), der bisher nicht durch profilierte oder gar innovative Positionsbestimmungen auffiel. Beide Herren werden noch viel und intensiv zusammenarbeiten müssen.
Perthes hat in den letzten Jahren zu denen gehört, die politisch intensiv an der Ermöglichung dieses Abkommens gearbeitet haben. Für den Einen oder Anderen war es vielleicht sogar eine Art Lebenswerk. Die Empörung, wie der US-Präsident dieses politische Bauwerk mit seinem Arsch wieder einreissen will, ist Perthes’ Text anzumerken.
Was er vorschlägt, ist, eine Begrifflichkeit, die Andere schon geprägt haben, nicht weniger als das Ende des Westens. Die “E3” würden am Beispiel des Iranabkommens ein neues Handlungssubjekt. Die EU als 27er-Staatengemeinschaft ohne UK ist in immer weniger Strategiefragen einig und handlungsfähig. Die Nato ist ebenfalls durchzogen von zahlreichen grundsätzlichen Gegensätzen. Die explosive Gefahr im Nahen Osten, hier gerade von Andreas Zumach beschrieben, ist aber so gross, dass jetzt schnell politisch und diplomatisch gehandelt werden muss.
Es gibt hier ein gemeinsames Interesse von Deutschland, Frankreich, UK/Grossbritannien, Iran, Russland und China: ein atomares Wettrüsten im Nahen Osten auszubremsen – gegen die USA, Israel und Saudi-Arabien. Dass die alten Blöcke zerbröseln, heisst nicht, dass neue entstehen. Es sieht eher aus wie eine Verflüssigung – mit sehr unklarem Verlauf des Flussbettes. Perthes’ Text ist ein Versuch, die deutsche Politik zur (Mit-)Steuerung dieses Prozesses zu bewegen. Kein leichter Job.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
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