Darf das US-Militär seinen Drohnenkrieg von Ramstein aus koordinieren? Das Oberverwaltungsgericht in Münster sieht da Anhaltspunkte für einen Bruch des Völkerrechts. Ein Urteil, das die Nato sprengen könnte

Es kommt nicht oft vor, dass die Washington Post, die New York Times, El Pais und der Figaro über ein Gerichtsverfahren in Münster berichten. Aber am Dienstag schaute die Welt dorthin – zu Recht. Denn ein Urteil des dortigen Oberverwaltungsgerichts kann zum Ausgangspunkt eines Konflikts zwischen Washington und Berlin werden, gegen den sich alle Streitigkeiten über die Höhe des Verteidigungshaushalts ausnehmen wie eine sanfte Neckerei unter Freunden.

Das abgedroschene Bild von einem Stochern im Wespennest lässt sich auf den Spruch des Gerichts nicht anwenden. Er gleicht eher einem Vernichtungsfeldzug gegen alle Wespennester dieser Welt. Und es geht ja in der Tat um nicht weniger als das: nämlich um die ganze Welt.

Vermutlich hatten sich die Dorfbewohner aus dem Jemen nie vorstellen können, dass sie einmal im Mittelpunkt eines solchen Prozesses stehen würden. Gewünscht hatten sich die Kläger das allerdings wohl auch nicht. Im August 2012 haben sie bei einem US-Drohnenangriff mehrere Angehörige verloren.

Deutsche Unterstützung für US-Drohnenprogramm

Worum es im Prozess nun ging: Ob sich die Bundesrepublik mitschuldig gemacht hat bei Verstößen gegen das humanitäre Völkerrecht. Das US-Drohnenprogramm, das der Terrorbekämpfung dienen soll, fordert immer wieder zivile Opfer. Deutschland unterstützt dieses Programm durch den Austausch von Informationen und durch die umfassenden Nutzungsrechte für die US-Militärstützpunkte. Die US-Militärbasis Ramstein spielt eine zentrale Rolle für das Drohnenprogramm: Darüber fließen alle relevanten Daten.

Das Gericht hat auf die universale Geltung der Menschenrechte verwiesen. Über die hatte es übrigens nicht zu entscheiden, die entspricht geltender Rechtsprechung. Was allerdings in den letzten Jahren – weltweit – gelegentlich übersehen wurde.

Sehr viel wichtiger ist: „Das Gericht hat gewichtige Anhaltspunkte dafür gesehen, dass die USA bei ihren Drohnenangriffen das Völkerrecht zumindest teilweise nicht einhalten.“ Wow. „Gewichtige Anhaltspunkte“ für Verstöße gegen das Völkerrecht. Viel deutlicher können Richter oder Richterinnen nicht werden.

Aber nein, die Welt hat sich nicht von einem Tag auf den anderen geändert. Das Urteil von Münster ist nicht das letzte Wort. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Falls hat das Gericht die Revision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen. Gut möglich, dass diese Instanz wie schon zuvor das Verwaltungsgericht Köln der Bundesregierung einen so weitgehenden Handlungsspielraum einräumt, dass sie letztlich von einer gerichtlichen Kontrolle entbunden ist. Das allerdings wäre das Ende der Gewaltenteilung, zumindest auf internationaler Ebene. Wenn die Regierung mit richterlichem Segen tun kann, was sie will, dann bedarf es keiner Gerichte mehr.

Beruhigend, innerhalb der Nato zu leben?

Aber man stelle sich vor: Es käme anders. Die deutsche Regierung würde qua Urteil künftig gezwungen, die Bedingungen der Nutzung zu definieren. Das könnte die Nato sprengen. Weil die USA – vor allem die Trump-Regierung – dann wohl deutlich weniger Interesse als bisher an Stützpunkten in Deutschland hätten.

Eine Auflösung der Nato – die, zur Erinnerung, ein Verteidigungsbündnis ist – wäre vermutlich nicht friedensbewahrend. Ja, ich weiß, was ich da schreibe. Früher habe ich das anders gesehen. Inzwischen finde ich es beruhigend, innerhalb des Einflussbereichs der Nato zu leben. Aber wenn ihr Erhalt nur um den Preis der Verletzung des Völkerrechts möglich ist? Dann nicht mehr. So unsolidarisch bin ich mit dem Rest der Welt dann auch nicht.

Dieser Beitrag ist eine Übernahme von taz.de, mit freundlicher Genehmigung von Autorin und Verlag.

Über Bettina Gaus:

Bettina Gauss ( † ) war politische Korrespondentin der taz. Von 1996 bis 1999 leitete sie das Parlamentsbüro der Zeitung, vorher war sie sechs Jahre lang deren Korrespondentin für Ost-und Zentralafrika mit Sitz in Nairobi. Ihre Beiträge sind Übernahmen von taz.de, mit freundlicher Genehmigung von Autorin und Verlag.