Erneut hat sich die Bundeslandwirtschaftsministerin heute morgen im Deutschlandfunk für die Gentechnologie ausgesprochen. Neue Methoden wie die Gentechnikschere könnten schneller und besser als Züchtungen dazu beitragen, Pflanzen hitze- und trockenheitsresistent zu machen und zur “Erntesicherung” beizutragen. Hinter dieser auf den ersten Blick einfachen Meldung stecken massive Lobbyinteressen und fatale Irrtümer der Landwirtschafts- und Chemiepolitik der Großen Koalition. Zum einen akzeptiert dieses Konzept bereits den stattfindenden Klimawandel und trägt in erschreckendem Maße den Versäumnissen der Koalition bei der Einhaltung der Klimaziele Rechnung. Man hat sich offensichtlich mit der Naturzerstörung abgefunden und kümmert sich jetzt nur noch darum, resistentere Pflanzen zu züchten.

Dahinter steckt aber noch viel mehr, als nur die vorgebliche Absicht der Schadensbegrenzung. Denn was Frau Klöckner nicht erwähnt, das ist die Tatsache, dass gentechnisch veränderte Pflanzen und ihr Saatgut von den Konzernen wie Bayer-Monsanto immer so konstruiert werden, dass sie in Folgegeneration unfruchtbar sind, ihre sterilen Samen nicht wieder zur Aussaat taugen. Damit wird die Landwirtschaft zum Appendix der Chemieindustrie. Mit diesem Trick hat Monsanto weltweit von Südamerika bis Indien hunderttausendfach bäuerliche Existenzen zerstört. Genau deshalb ist Monsanto weltweit von Kleinbauern und unabhängigen Landwirten verhasst und unter Druck. Darüber hinaus ist das einstige Versprechen, das die Gentechnik-Vertreter schon in den 80er Jahren vorgaben, nämlich dass gentechnisch veränderte Pflanzen auf Insektizide verzichten könnten, niemals eingetroffen. Im Gegenteil: Der kombinierte Einsatz von Gensaat und Pestiziden perfektionierte das Abhängigkeitsverhältnis von Landwirten und Chemieindustrie zu sklavereiähnlichen Gefolgschaften, in denen den Bauern, wenn sie nicht zum Ausstieg in den ökologischen Landbau mit allen Risiken bereit sind, praktisch keine freie Willensausübung mehr bezüglich des Chemieeinsatzes bleibt.

Julia Klöckner ist als Landwirtschaftsministerin eine der entschiedensten Kämpferinnen für die Chemieindustrie, vor allem für Monsanto. Obwohl immer offensichtlicher wird, dass Pflanzengifte wie Glyphosat ein Insektensterben ungeahnten Ausmaßes verursachen und nebenbei noch höchstwahrscheinlich krebserregend sind, kämpft sie weiter unbeirrt für deren Einsatz. Dabei ist die Ideologie ungebrochen, dass für billige Lebensmittel, wie sie Aldi, Lidl und Co. mit ihrer Dunpingpreispolitik weiterhin erfordern, die Agrarchemie unvermeidlich sei. Neue Techniken, die das zwielichtige “Roundup” und andere Umweltkiller mit Hilfe von Drohnen, GPS und Computersteuerung auf die Flächen verteilen wollen, werden die Abhängigkeit der bäuerlichen Landwirtschaft von Bayer/Monsanto und Co. in den nächsten Jahren rasant vorantreiben. Zwischen den Interessen der Chemiebranche einerseits und den großen Nahrungsmitteldistributeuren andererseits wird die Landwirtschaft wie in einem Schraubstock eingepresst, der immer weiter zugedreht wird. Ob Getreide- oder Milchpreise – immer ziehen die Bäuer*inne*n den Kürzeren. Und die Funktionäre des Bauernverbandes vertreten alle möglichen Interessen, nur nicht die der Landwirte.

Genau so, wie sich Verkehrsminister Scheuer seit Jahren weigert, die Autoindustrie zum Umdenken und zu notwendigen Konsequenzen aus dem Dieselskandal zu zwingen und endlich alte Fahrzeuge nachzurüsten, weigert sich Klöckner, die Weichen hin zu einer ökologischen Landwirtschaft zu stellen und die bäuerliche und damit mittelständische Landwirtschaft zu stärken. Sie beweist sich damit als führende Lobbyistin der Argrarchemie und der Discounter. Weil jetzt Rewe und Edeka und die Discounter auch Bioprodukte anbieten, meinen viele, die Welt hätte sich schon zum besseren gewendet. Gar nichts ist besser geworden: Auch im Bereich des Bio-Großhandels werden den Bauern inzwischen die Preise diktiert, aus Billigländern Osteuropas, aus China oder Nordafrika zugekauft, wodurch Transportwege entstehen, die alles andere als “BIO” sind. Die GroKo hat sich zu einem der schlimmsten Bollwerke gegen Ökologie, Umwelt und Klimawandel gemausert. Wieso trotzdem noch viele Grüne an Schwarz-Grünen Koalitionsträumen hängen, kann wohl nur mit schweren Wahrnehmungsdefiziten der CDU/CSU-Politik erklärt werden.

Über Roland Appel:

Roland Appel ist Publizist und Unternehmensberater, Datenschutzbeauftragter für mittelständische Unternehmen und tätig in Forschungsprojekten. Er war stv. Bundesvorsitzender der Jungdemokraten und Bundesvorsitzender des Liberalen Hochschulverbandes, Mitglied des Bundesvorstandes der FDP bis 1982. Ab 1983 innen- und rechtspolitscher Mitarbeiter der Grünen im Bundestag. Von 1990-2000 Landtagsabgeordneter der Grünen NRW, ab 1995 deren Fraktionsvorsitzender. Seit 2019 ist er Vorsitzender der Radikaldemokratischen Stiftung, dem Netzwerk ehemaliger Jungdemokrat*innen/Junge Linke. Er arbeitet und lebt im Rheinland. Mehr über den Autor.... Sie können dem Autor auch im #Fediverse folgen unter: @rolandappel@extradienst.net