DB in NRW – manches klappt, so “mittel” …
Die armen daheimgebliebenen Berufspendler*innen werden von der Unterbrechung der linksrheinischen Bahnstrecke zwischen Bonn und Köln gequält. Wer antizyklisch in den überlaufenen Sommerferien auf Urlaub verzichtet, wird dafür bestraft. Es soll Zeiten gegeben haben, Ältere erzählen davon, da hat die Deutsche Bundesbahn Bauarbeiten im laufenden Betrieb erledigt. Da wurde mal langsamer gefahren, da und dort auf ein Nebengleis ausgewichen – ja, das waren die Zeiten als die Bahn ihre Infrastrukturflächen noch nicht alle an Immobilienhaie verschleudert hatte. Gab’ es wirklich diese Zeit, Der Kapitalismus galt schon, aber noch etwas weniger despotisch und disruptiv als heute. Und es lag nicht an der Regierung, die war fast immer CDU (1945-1969, 1982 bis -98, 2005 bis heute).
Was dem Linksrheinischen seine Qual, ist dem Beueler sein Vergnügen. Wie damals halten wieder (umgeleitete) Fernzüge am Bahnhof Beuel. Damals fuhr ich von dort nach Brindisi oder Rijeka, eine alte Freundin nach Frankreich mit einem Zug, der bis kurz vor Barcelona verkehrte, nach Port Bou, wo einst Walter Benjamin aus dem Leben schied. Ich wollte nur bis Essen. Im Internet wurde der Zug in dunkelrot mit drei Männchen als voll gekennzeichnet. Der Waggon, den ich betreten wollte, war gesperrt – Klimaanlage kaputt. Ich wandte mich nach vorne zum Cockpitwagen mit Fahrradabteil. Letzteres war ausgebucht, aber Sitzplätze im angeschlossenen Abteil gab es. Die Maskendisziplin der Fahrgäste erreichte allenfalls 50%. Auf eine Fahrkartenkontrolle wurde verzichtet. Die umgeleiteten Fernzüge vermeiden in Köln die Schleife über die Südbrücke zum Hauptbahnhof, sondern fahren nur Deutz an, und dann weiter nach Norden. Perfekt! Keine Verspätung bis Essen – am Freitagnachmittag!
Die Rückfahrtzüge waren im Internet als gering belegt ausgewiesen. Nur leider gibt es den 20-Uhr-IC-Slot von Essen nach Bonn nicht mehr. Ich erreichte kurz vorher einen ICE nach Köln. Der hatte nur einen Fehler: er machte keinen ausserplanmässigen Halt in Deutz, sondern fuhr stur zum Hauptbahnhof (um von dort aus auf die Schnellstrecke nach Süden zu wechseln). Der per Umstieg auf dem gegenüberliegenden Bahnsteig vorgesehene IC nach Bonn war so kaum zu erreichen. Ich wechselte im Kölner Hbf. schnell zum S-Bahnsteig, um die Hohenzollernbrücke erneut Richtung Deutz zu überqueren. Dort hätte ich die Rücklichter des IC aus Wuppertal nach Beuel noch gesehen …. wenn er pünktlich gewesen wäre. Er wurde aber mit 40 min. Verspätung gemeldet.
Also “Rhein-Erft-Express”. An dieser Stelle muss ich den Jüngeren erläutern, dass in der o.g. alten Zeiten solche Züge “Express” genannt wurden, die besonders schnell auf besonders langen Distanzen waren. Tja, so könne Werte umgewertet werden. Dieser Express kam zweiteilig in Deutz an, aber nur der erste Teil sollte weiter nach Beuel fahren. In Corona-Zeiten ist das eine besonders schlechte Idee, nur mit der Hälfte der Plätze zu fahren – aber es ist wohl zu viel Wagenmaterial kaputt und steht in der Werkstatt (sofern die nicht auch schon dichtgemacht wurde). Die Abkpppelung zog sich auf 10 Minuten. Noch weitere 10 Minuten, und es wäre irgendwo eine Überholung durch den verspäteten IC zu erwarten gewesen. Dass es dazu keine Fahrgastinformationen gibt, bin ich schon seit Jahrzehnten gewöhnt; da ist jede*r zur individuellen Spekulation genötigt.
Meine Mai/Juni-Erfahrung mit einem eigenen Grossraumabteil nur für mich ist vorbei. War ‘ne schöne Zeit. Der Fahrgastbetrieb ist aber noch weit vom allwöchentlichen Chaos an Freitagen entfernt. Ein Blick auf die Kölner Autobahnen liess erahnen, warum.
Endergebnis der Rückreise: knapp 2 Stunden von Hbf. zu Bhf., und nur wenig mehr von Tür zu Tür. Ich hatte Schlimmeres befürchtet (aber als Beueler Besseres erhofft).
PS: Und während ich schrieb, fiel in Beuel sogar ein paar Minuten Regen. Die Inlands-Urlauber*innen, die im deutschen Süden und an den nördlichen Küsten 80-100%ige Preisaufschläge zahlen, wissen, was das ist; hier im Rheinland dagegen weiterhin ein seltenes Wetterphänomen, Pegelstand des Rheins: 1,83 m.
Update 29.7.: Andere hatten noch weniger Glück. Damit hat Beuel immerhin eine DB-Rangstufe mit Wolfsburg.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net