Beueler-Extradienst

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Schlechte Chefinnen?

Ohne Gendersternchen. Es soll hier um die Frage gehen, warum manche, kleine und grosse Frauen als Chefin scheitern. Zunächst habe ich mich vor dem Schreiben selbst überprüft: wie gut bin ich mit Chefinnen ausgekommen? In der Grünen Stadtratsfraktion (2006-2016) mit Brigitta Poppe-Reiners (inzwischen ausgetreten) sehr schlecht (wie alle meine damaligen Kolleg*inn*en); mit Coletta Manemann, Doro Pass-Weingartz und Annette Standop – die wiederum auf ihre Art sehr verschieden sind – dagegen ausgezeichnet. Ich kann also ein eigenes Urteil wagen.
Es soll um eine ehemalige Chefin der Süddeutschen Zeitung und eine vermutlich bald ehemalige Chefin des Spiegel gehen: Julia Boenisch und Barbara Hans. Ihre Amtszeiten waren so kurz, dass mann von Scheitern sprechen muss. Das ist nicht unehrenhaft. Denn beide Redaktionen sind für ihre Männderdominanz mit gelegentlichen sexistischen Ausbrüchen und ihren Organisations-Konservatismus berühmt-berüchtigt. Beide Frauen haben sich schreibend im Verbandsorgan Journalist aus dem Fenster gehängt. Mann darf behaupten, dass sie damit nicht gut beraten waren. Es sei denn, es war ein Akt der Verzweiflung: wenn der Schaden schon irreparabel angerichtet war, kann es ein Zeichen nach aussen sein, was sie kann, was sie will – und dass sie woanders hin will, aus den Texten (hier Boenisch, hier Hans) unschwer ablesbar.
Mich erinnern diese Fälle ein wenig an Sonia Mikich. Ich begegnete ihr erstmals Ende der 80er Jahre in einem TV-Studio, als sie eine “Fernsehbrücke Köln-Kiew” moderierte; ich hatte im Auftrag des WDR einige Kölner Teilnehmer*innen akquiriert. Frau Mikich war als Talent des Hauses erkennbar, das von einigen älteren und wichtigeren Herren des gleichen Hauses absichtsvoll gefördert wurde. Fand ich seinerzeit voll ok, nichts gegen einzuwenden. Mikich machte fortan im WDR eine ansehnliche Karriere. Ihren oft und offen geäusserten politischen Positionen stand ich meistens sympathiesierend gegenüber, ebenso ihren öffentlichen Auftritten vor der Kamera. Bis ich von dem Unglück hörte, das (männliche) Mitarbeiter des WDR-Politikmagazins Monitor unter ihrer Leitung empfanden. Mikich war hier auf Klaus Bednarz gefolgt, der von vielen seiner Untergebenen sehr verehrt wurde, weil er vermutlich ihre Fehler gegen die da oben verteidigte, und nach unten nur trat/kritisierte, wenn keine Öffentlichkeit dabei war. Wie es sich für einen guten Chef gehört – aber in der Tat: die sind sehr selten, egal ob Mann oder Frau.
Nun gehe ich noch mal rüber zur SZ. Hier kenne ich den ehemaligen Innenpolitik-Ressortchef und stellv. Chefredakteur Heribert Prantl. Ein politisch absolut integrer Typ. Auch in den Aussenbeziehungen zu meiner Landtagszeit bei Roland Appel (1990-2000) absolut verlässlich und integer. Aber intern natürlich immer angegriffen und angegiftet von den Rechten in Redaktion und Leser*innen*schaft, und irgendwann entsprechend intrigenerschöpft. Ich unterstelle, ohne, dass ich mit ihm jemals darüber sprechen konnte, dass er froh war, als er vorruhestandsähnlich das schwierige interne Managementgeschäft abgeben, und sich aufs Schreiben (inkl. begleitender TV-Auftritte) beschränken konnte. Ihm folgte Ferdos Forudastan, mit der ich mich ebenfalls befreundet weiss, aber über ihre SZ-Erfahrungen noch nicht sprechen konnte. Bei ihr muss eine harte Pendelbelastung zwischen Köln, Berlin und München unterstellt werden, das ist in unserem Alter keine Kleinigkeit. Auffällig bei ihr war, wie wenig sie selbst Texte veröffentlichte, weil sie vermutlich mit dem internen Management umso mehr belastet war, als Prantl es vielleicht vernachlässigt hat. Frauen sind ja nach innen sowieso immer selbst ihre schärfsten Kritikerinnen, egal, welche Schale sie nach aussen kehren. Darum wird Ferdos, unterstelle ich jetzt, froh und glücklich gewesen sein, zum Arbeiten nach Köln zurückkehren zu können, und dort jetzt die Civis-Medienstiftung zu leiten.
Bei der SZ gibt es jetzt zahlreiche Veränderungen, die im Politikteil einen Rechtsruck markieren. Stefan Kornelius war dem Medienforscher Uwe Krüger wegen seiner “elitenkonformen Berichterstattung” aufgefallen. In seinen öffentlichen Reaktionen darauf bestätigte Nato-Fan Kornelius dieses Urteil mehr, als er es dementierte – wenn auch nicht mit Absicht 😉 Diese Ernennung muss Prantl als späte Niederlage empfinden – es sei denn, es juckt ihn nicht mehr, was auf jeden Fall gesünder wäre. Denn besser wird seine Zeitung nicht mehr.
Mein Schluss daraus: die zweifellos überqualifizierten Frauen Boenisch und Hans sind gut beraten, die sinkenden Männerschiffe lieber früher als später zu verlassen. Es muss nicht jede alles können. In der Chefredaktion von Spiegel und SZ gescheitert zu sein, kann sich in der Zukunft als ehrenvoll erweisen.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net

3 Kommentare

  1. Helmut Lorscheid

    Ich habe gut zehn Jahre als Freier Mitarbeiter für Monitor gearbeitet. Das war zu Bednarz-Zeiten. Was Martin über sein Verhalten gegenüber seinen Mitarbeitern und nach außen hin mutmaßt kann ich aus Erfahrung bestätigen. Intern war Bednarz sicherlich eher ein “harter Hund” aber er wehrte jeden Angriff auf Redakteure oder freie Mitarbeiter von außen oder auch im eigenen Haus ab. Auf diesen Chef konnte man sich verlassen, der stand hinter einem oder sogar oft vor einem. Bei Mikisch wurde es anders. Für mich war mit ihrem Antritt Ende bei Monitor – und nicht nur für mich. Ältere Menschen sagen ja oft früher sei alles besser gewesen – bezogen auf Bednarz bin ich auch so einer… Früher bei Monitor…

  2. MünchenHamburg

    Es gibt Chefs, die Mitarbeiter fördern. Und solche, in deren Schatten nichts wachsen darf. Prantl war Letzteres.

    Eine Gemeinsamkeit von Frau Hans und Frau Bönisch: Sie sind beides Onlinerinnen. In diesen Beibooten geht es in der Regel moderner zu, die Entwicklung von Mitarbeitern hat größeres Gewicht, genau wie Frauen in relevanten(!) Führungspositionen. Das Bewusstsein, wie notwendig ständige Veränderung ist, spielt eine größere Rolle.

    Doch nachdem diese Beiboote in die großen Dampfer eingeholt worden sind, geht diese Kultur in der Regel über Bord. Und mit ihnen nach einiger Zeit nicht nur die Verantwortlichen, sondern auch diejenigen, die am Eierschaukeln auf der Titanic kein Interesse haben. Das sind in der Regel Frauen.

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