Es gibt sie noch: Publizistik mit Niveau und ohne Paywall.
Afrika-Korrespondentin unter Pandemie-Bedingungen ist allein schon ein respekteinflössender Schwierigkeitsgrad. Unter solchen Bedingungen Material aus Mogadischu zu ergattern, wow. Ich weiss nicht, ob Bettina Rühl selbst dort war. Vermutlich hat sie Verbindungen genutzt, um Informationen und O-Töne zu beschaffen. Denn nach meiner Kenntnis liegt der Security-Tarif für offensichtliche Nicht-Einheimische in Mogadischu bei 1.000 US-$/Tag. Dafür dürfte das DLF-Honorar kaum ausreichen.
Die Information, die ich aus ihrer Reportage sauge, ist, dass der Failed-State-Status Somalias kein absehbares Ende finden wird. Die zarten Versuche des Aufbaus staatsähnlicher Strukturen sind von der djihadistischen Guerilla wirkungsvoll infiltriert, malträtieren die Menschen und sabotieren den Aufbau geringsten Vertrauens. Bemerkenswert allerdings auch, dass Menschen dorthin geflohen sind, aus Syrien. Flüchtlinge aus dem Jemen-Krieg finden keine Erwähnung.
Ebenfalls beim DLF, im Berliner Programm DLF-Kultur, eine Reportage von Tom Noga aus Rio de Janeiro. Nicht überraschend ist die Stadt ein brasilianisches Zentrum der Pandemie, und dem Rheinland vergleichbar ;-), durch den Ausfall des Karnevals auch ein Zentrum der Melancholie.
In der taz findet sich ein Essay von Nikolai Klimeniouk. Er beschreibt, und personifiziert in seiner Bitterkeit, die Zersplitterung diversester russischer Oppositionsströmungen. Sein Problem, wie das jener, über die er schreibt, ist, dass ihre Bitterkeit der politisch notwendigen Bedingung von Bündnisfähigkeit, wie ein “Elefant im Raum”, im Wege steht. Für das Putinregime ist das ein wichtiger Erfolg. Der freilich nicht von Dauer sein muss.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
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