Es erinnert mich ein bisschen an das wehmütige Ende meiner WG. Die alten Freunde Jürgen Becker, Wilfried Schmickler und Uwe Lyko sind aus den WDR-Mitternachtsspitzen ausgezogen. Mir sind Gerüchte zu Ohren gekommen, dass es doch nicht ganz freiwillig war, aber was solls. Die Jungs müssen das nicht mehr machen, sie können auch anders. Ich bin allen dreien im wahren Leben begegnet, und weiss was für anständige Kerle sie sind, menschlich und politisch. Mir fehlen sie. Jetzt kommt die Prüfung, ob der WDR ohne sie glücklich werden kann.
Was die Einschaltquoten der ersten Ausgabe ohne die Jungs betrifft, und anderes interessiert die Senderführungen kaum, ist das Ergebnis ein klares Ja. Über 500.000, knapp 9% Marktanteil. Es schalteten mehr Leute ein, als zuvor beim “WDR extra” über was? Natürlich das Wetter. Wenn eine Kabarettsendung eine Wettersendung an Quoten übertrifft, darf das neue Team die Champagnerkorken knallen lassen. Es weiss ja noch niemand, wie lange das so bleibt.
Ich mit meinem Trennungsschmerz war nicht überwältigt, aber zufrieden. Mich hat, wie sonst bei der Anstalt, auch in diesem Fall die Schaubildnummer am meisten überzeugt (ab ca. Minute 25). Christoph Sieber fasste für alle, die bisher nichts darüber wissen wollten, den politischen Skandal um die neonazistischen NSU-Serienmorde kompakt zusammen. Danach müssen sie nicht mehr, dürfen aber zur Vertiefung sehr wohl, all die investigativen Recherchen des verehrten Kollegen Thomas Moser lesen. Sieber verzichtete auf die politische Geißelung all der sicherheitsbehördlichen Versager und/oder Verbrechen – nach seiner faktensicheren Darstellung darf sich jede*r ihre*seine eigene Meinung bilden. Eine “Gute” wird es nicht sein.
Erfreulicher Stargast war “unser aller” Helge Schneider, mit einem weiteren heimlichen Star an seinem Schlagzeug. Und Frau Bosetti hat den sendenden WDR zur Schnecke gemacht – nicht mehr neu, aber treffend. Das ginge ebenfalls als ernsthafter politischer Beitrag durch.
Ein passender, kaum zum Lachen, mehr zum Nicken geeigneter Beitrag war die Nachstellung der “Aktuellsten Stunde” des WDR. Herr Simon und Frau Pätzold nahmen die Medienepidemie auf die Rolle, das Publikum für dööfer zu halten, als es ist. Ist nicht zum Lachen, ist Ernst. Aber wer sagts, bzw. zeigts denen, die es betrifft?
Sieber, sowieso ein satisfaktionsfähiger Typ, kann so weiter machen. Das Redaktionsteam dahinter, und der doofe Sender sowieso, könnten mehr Mut zum Experimentieren wagen. Kann ja noch kommen.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
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