Jacobin veröffentlichte einen Vortrag von Herbert Marcuse, den er am 23. Mai 1968 an der University of California in San Diego gehalten hat, ein beachtenswertes Zeitdokument. Marcuse behandelt strategische und taktische Bündnisfragen, die im Grundsatz bis heute relevant geblieben sind. Er stand unter dem unmittelbaren Eindruck hektischer Geschehnisse in Paris und Berlin, die seine Einschätzung umso analytisch und politisch cooler erscheinen lassen. Mit einem mittelschweren Manko.
Arg verniedlichend behandelt er die damalige Position und Praxis europäischer Maoist*inn*en, während er es an klarsichtiger Kritik der sich sozialistisch dünkenden Staaten Europas nicht fehlen lässt. Was lässt sich aus heutiger Sicht daraus schliessen? 1968 lief die sog. “Kulturrevolution” in China bereits zwei Jahre. Sie stand in ihrer mörderischen Brutalität der stalinistischen Praxis der UdSSR in nichts nach. Wussten Marcuse und die europäischen Maoist*inn*e das 1968 noch nicht? Wollten sie es schlicht nicht wissen? Oder wussten bzw. ahnten sie es sogar? Aus meiner Kenntnis einiger Individuen dieses politischen Spektrums war es jeweils eine individuelle Mischung von allem. Seinerzeit war die Medien-Globalisierung mit der Beschleunigung aller Nachrichtenströme bei weitem noch nicht so weit gediehen wie heute. Ausgenommen ihre geheimdienstliche Beeinflussung – die war damals schon up to date.
Krankheit und Schuld
Gestern lief in DLF-Essay&Diskurs der zweite Teil des Wochenendthemas Krankheit. Martin Zeyn setzt sich mit der Individualisierung von Verantwortung und Schuld auseinander, ähnlich reflektiert und analytisch-konstruktiv, wie tags zuvor Metz/Seesslen. Danke DLF, Radio ist doch noch für Anregungen zum Denken gut.
Letzte Kommentare