Der WDR erniedrigt sich zum Punchingball des Springerkonzerns
Hier und hier habe ich bereits bekannt, wie wenig ich Frau Nemi El-Hassan kenne. Ein Urteil über ihre Persönlichkeit und ihre bisherige journalistische Arbeit, ihr Talent gar, masse ich mir (bisher) nicht an. Doch wie verhält es sich mit ihrem Arbeitgeber, dem Westdeutschen Rundfunk (WDR)? Wie verkehren die miteinander?
Jemand muss doch mit Frau El-Hassan gesprochen haben. Es gibt Vorstellungsgespräche, Einstellungsgespräche, Mitarbeiter*innen*gespräche, allesamt sinnvolle, potenziell sogar emanzipatorische, Elemente der Arbeitswelt. Hat es die nicht gegeben? Sind die abgeschafft? Wer führt die beim WDR? Und wie? Werden sie im gegenseitigen Interesse für Person und Institution geführt? Oder als lästige Pflichtübung?
Der WDR ist eine der grössten Medieninstitutionen der Bundesrepublik Deutschland. Ein Sender. Wie kann er es regungslos geschehen lassen, dass er zum Opfer gemacht wird? Von einer skrupellos sich um Arbeit bewerbenden “Antisemitin”? Das wäre zum Lachen, wenn es nicht zum Weinen wäre. Oder von skrupellosen Kriegsjournalisten beim digitalisierten Lügenblatt?
Über 400 Medienschaffenden ist jetzt die Hutschnur geplatzt. Sie können sich dort, wenn Sie wünschen, der öffentlichen Verärgerung anschliessen. Beim WDR ist dagegen seit einer Woche dröhnende Funkstille. Und das, während seine Mitarbeiterin tagelang durch die Schlagzeilen gezogen wird. Es scheint, die Jurist*inn*en bestimmen Strategie und Taktik, und legen den Sender als Medium damit faktisch still. Ein bisschen wie die GdL die Deutsche Bahn, nur dass es hier nicht um die Rechte der Arbeitnehmerin geht, sondern gegen sie.
Oder sind es gar Wahlkampf-Spindoktor*inn*en? Das wäre ein Skandal, den keine Mediengewerkschaft auf sich beruhen lassen darf. Menschen- und Arbeitnehmer*innen”rechte wg. Wahlkampf suspendiert? Ist das Russland hier?
Ich persönlich kenne Frau El-Hassan zu wenig, um mich oben verlinktem Aufruf anschliessen zu können. Extradienst-Autor Andreas Zumach und viele Personen, deren Urteilsvermögen ich vertraue, haben es getan. Diese Unterschriftenliste ist in ihrer qualitativen Zusammensetzung schon eine veritable Blamage für ein öffentlich-rechtliches, uns gehörendes Medium. Als Arbeitgeber eigentlich eine Zumutung. Als Medium lächerlich, ein “Opfer” im Sinne gängiger Schulhofsprache.
Sollen wir das so lassen?

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net