mit Update 5.1.
Passend zum 75. Geburtstag des Spiegel veranstaltet das ZDF auf seinem Hitler-Festspiele-Kanal ZDFinfo heute wieder seine – nahezu täglichen – Hitler-Festspiele. Gemäss dem (deutschen) Medien-Motto “Hitler geht immer”. Das ZDF liess sich von seinem ehemaligen Haus-Historiker das Archiv damit vollmüllen, und sendet es jetzt kostengünstig permanent ab (Marktanteil 1,8%). Nur schade, dass meine Lieblingsfolge “Hitlers Schäferhunde” nicht dabei ist – oder glaube ich nur, dass es die gibt?
Der Spiegel bekam beim DLF heute ein Kalenderblatt von Andrea Westhoff. die Hörfassung ist geringfügig länger (Audio 5 min). Frau Westhoff benennt immerhin die Nazi-Verbindung des “Sturmgeschützes”; in der Hörfassung kommt ausserdem der langjährige Verlagsgeschäftsführer Becker zu Wort, den Hermann L. Gremliza früh als Geheimdienstler enttarnt hat. Und die redaktionsinternen Bürgerkriege finden kurze Erwähnung.
Arno Widmann/FR widmet dem gleichen Medium eine stark biografisch eingefärbte, in Spurenelementen kritische Eloge. Ich bin 10 Jahre jünger, bei der Spiegel-Affäre 1962 war ich noch zu klein, um sie wahrzunehmen. Ich lernte erst als Jungdemokrat in den 70ern, dass der Spiegel grundsätzlich und immer unkorrekt über unsere Politik in der und gegen die FDP berichtete. Das setzte sich später bei den Grünen fort, bei denen er kontinuierlich den rechten Parteiflügel unterstützte und entsprechendes Personal förderte.
Mit Widmann zusammen empfehle ich zur dringenden Lektüre das Buch von Lutz Hachmeister und Friedemann Siering “Die Herren Journalisten”, das scheinbar nur noch antiquarisch erhältlich ist. Im Verlagsprogramm finde ich es nicht, hier eine ausführliche Darstellung von Niels Beintker/DLF von 2002, sowie ein Interview von René Martens mit dem damaligen Herausgeber Hachmeister in der – mittlerweile dichtgemachten – Medienkorrespondenz im Jahre 2019. Update 5.1.: Der gleiche René Martens hat zum gleichen Thema noch weitere Leseempfehlungen.
Die Sentimentalität, die dem alten Soiegel hinterhergeweint wird, erklärt sich aktuell aus der Tatsache, dass das Medienkapital flächendeckend und global Journalismus, und insbesondere seine profitschädliche Neigung zu Recherche, niederspart – ein Förderprogramm für die “Lügenpresse”-Hetzer. Nur so erklärt es sich, dass in den letzten nachrichtenarmen Tagen jede Pissdemo mit ein paar hundert Mitläufer*inne*n in irgendeinem kleinstädtischen Kaff bundesweite Nachrichtenagenturerwähnung findet. Die Friedensbewegung der 80er Jahre hätte sich das gewünscht. Das Querdenker-Business macht es sich nun zunutze.
Hitler-Fans sind nicht zwingend doof. Nur menschenfeindliche Arschlöcher.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net