Beueler-Extradienst

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Geht doch?

Oder doch nicht? Wie rassistisch ist die Flüchtlingsaufnahme?
Es ist gegenwärtig nicht leicht, ein Empörungsdelirium zu vermeiden. Jede*r ist rundum vom Propagandakrieg umgeben. Wahr und unwahr ist für Individuen immer schwieriger zu unterscheiden. Keine Information, keine Meinung, wird ohne einen politisch-strategischen Spin verbreitet. Selbstverständlich auch hier und jetzt von mir nicht. Ich versuche kühl und sachlich zu bleiben …
Mit der Ampelkoalition bekamen wir eine neue Bundesinnenministerin: Nancy Faeser. Eine Frau! Das gab es noch nicht. Ist unsere Sicherheit jetzt in Gefahr? Ja sicher, würde ich antworten. Aber nicht wegen der. Ich empfinde es als einen selten angenehmen Moment, dass mit dem anderen Geschlecht auch ein anderer innenpolitischer Zungenschlag im Medienkarussell Platz findet. Es ist zunächst nur der Klang der Worte. Inwieweit der sich auf politische Praxis auswirkt, bleibt noch abzuwarten.
Denn was bei Frau Faeser als vernünftiger politischer Fortschritt erklingt, bricht sich an der Wirklichkeit der EU-Ostfront. Unklar bleibt allenfalls, welchen Umfang der dort praktizierte Rassismus hat. Dass es ihn gibt, scheint mir ausreichend bezeugt. Der Politikchef der Essener NRZ Jan Jessen und der für die Berliner Morgenpost arbeitende Julian Würzer (beide Funke-Mediengruppe) dürften hierzulande als echte seriöse Journalisten, und nicht als putinhörige Bots, respektiert werden. Was sie berichten, zieht mir die Schuhe aus, und lässt mich nach sedierenden Drogen verlangen.
FAZ-Volontärin Othmara Glas formuliert milder, zitiert eine abwiegelnde Repräsentantin der Böll-Stiftung in Warschau, kommt aber kaum zu widersprechenden Ergebnissen.
Ruhig bleiben, langsam und ruhig atmen. Sie und ich sind nicht vor Ort. Grausame Dramen spielen sich dort zweifellos am laufenden Band ab. Viele menschliche Fehler werden begangen, niemand ist perfekt.
Depressions-Prophylaxe
Die WHO hat für das erste Corona-Jahr 2020 einen Anstieg der Depressionserkrankungen um sagenhafte 25% gemeldet. Solche Erkrankungen sind immer multifaktoriell, d.h. sie haben je nach Individuum sehr unterschiedlich zu gewichtende zahlreiche Ursachen (ich empfehle zum vertiefenden Nachlesen Stephan Schleim). Gleichzeitig sind sie ein untrügliches Zeichen: einerseits für eine zunehmende medizinische Diagnostizierung und Erfassung (= Fortschritt!), und andererseits, dass irgendwas mit dem menschlichen Leben individuell und gesellschaftlich ganz furchtbar schiefläuft. Eine Erkenntnis, die in diesen Tagen zahllose Menschen akut erfasst. Zufall: im ersten Coronajahr wie jetzt in der Ukraine-Krise verwöhnt die serotoninfördernde Sonne unser Rheinland.
Wichtig ist, dass niemand damit allein bleibt. Politisch hat das hier Gastautor Nico Ernst sehr gut erfasst. Ich will ergänzen: vergessen Sie die “Fastenzeit”. Wer weiss denn, wie die Welt in 6 Wochen aussieht? Lassen Sie lieber jetzt und heute keinen Genuss aus. Umgeben sie sich mit Menschen, die Ihnen guttun. Machen Sie mit ihnen, was Ihnen Freude und Spass macht. Und das Wichtigste: verschieben Sie es nicht. Je soforter umso besser. Wissen Sie denn, wieviel Zeit noch dafür bleibt? Ich weiss es nicht.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net

3 Kommentare

  1. Annette

    Ich würde vorschlagen, wir lassen die weißen Ukrainerinnen da, wo sie in Polen oder Ungarn sind und holen die nichtweißen Flüchtlinge endlich aus Belorus. Auf solche Rassisten hab ich hier keine Lust, die machen sonst noch den hier lebenden Schwarzen und Syrern das Leben schwer. Es sind ja nicht nur die Grenzbeamten, die so handeln. Ich habe in Zeit online gelesen, dass fliehende weiße Ukrainerinnen schwarze Frauen, die ihnen vorher geholfen haben, ihre weißen Kinder in die Züge zu hieven, zurückgestoßen haben aus dem Zug. Unverschämt!

    • Martin Böttger

      Ich rate, wie schon in meinem Text formuliert, zur Vorsicht vor Gelesenem. Alle Menschen sind gleich. Darum helfen.

  2. Helmut Lorscheid

    Ich habe heute eine Anfrage an die Pressestelle des BMI geschickt:

    Sehr geehrte Damen und Herren,

    wo befindet sich die gemeinsame Außengrenze zwischen Deutschland und der Ukraine?
    Wieso gibt es diese rassistische Unterscheidung zwischen Flüchtlingen aus der Ukraine
    und solchen aus Syrien oder dem von Deutschland via Saudi-Arabien mit Waffen und anderem
    Nachschub ausgestatteten Krieg im Jemen?
    Wieso werden afrikanische Flüchtlinge unter Frontex-Beteiligung abgewehrt und teilweise
    getötet durch unterlassende Hilfeleistung?

    Vielen Dank für Ihre Antwort.

    Mit freundlichen Grüßen

    Helmut Lorscheid
    Journalist

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